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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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schlitterte. Ich rief die Treppe hinunter um Hilfe, packte dann einen schweren Teppich, zerrte ihn ächzend über die kleinen Feuer und trat die, die ich mit dem Teppich nicht gelöscht hatte, mit den Füßen aus. Die nächste Fackel zischte durch die Luft, krachte auf den Boden und zerbrach. Dann die nächste, dann noch eine. Das Dach, das aus alten Holzbalken und Terracottafliesen bestand, funkelte in der Dunkelheit wie ein Sternenteppich. Jetzt wusste ich, dass Quintus Recht hatte: Wenn das noch lange so weiterging, dann würden sie uns ausräuchern und Cicero draußen auf der Straße abschlachten.
    Wütend vor Angst, packte ich den Griff einer Fackel, an deren Spitze noch ein ziemlich großes Stück brennendes
Pech hing, rannte zum Rand des Daches, zielte und schleuderte sie hinunter auf die Männer. Ich traf einen genau am Kopf, seine Haare fingen zu brennen an. Er schrie auf, und ich lief zurück und holte die nächste Fackel. Inzwischen waren Sositheus und Laurea nach oben gekommen und traten die kleinen Feuer aus. Sie müssen mich für völlig irre gehalten haben, als sie sahen, wie ich auf die Brüstung sprang, vor Zorn kreischte und das nächste brennende Geschoss auf die Attentäter zurückschleuderte. Aus den Augenwinkeln erkannte ich, dass weitere mit Fackeln bewaffnete Schattengestalten in die Straße strömten, und ich war mir sicher, dass sie uns bald überwältigen würden. Doch plötzlich drangen wütendes Gebrüll, das klirrende Geräusch von Metall auf Metall und der Widerhall trampelnder Schritte zu uns herauf. »Tiro!«, rief eine Stimme, und in dem flackernden gelben Licht sah ich das nach oben gewandte Gesicht von Atticus. In der Straße wimmelte es von Männern. »Tiro? Ist dein Herr in Sicherheit? Lass uns rein!«
    Ich rannte nach unten und dort weiter durch den Gang zur Haustür. Der Konsul und Terentia folgten mir, und zusammen mit Quintus und den Sextus-Brüdern zogen wir die Truhe zur Seite und rissen den Riegel von der Tür. Unter dem Jubel und Beifall von etwa dreißig Rittern fielen sich Cicero und Atticus in die Arme.

    Als die Sonne ganz aufgegangen war, waren alle Zufahrtswege zu Ciceros Haus abgesperrt und mit Wachen besetzt. Alle Besucher, selbst altgediente Senatsmitglieder, mussten an einem der bewaffneten Kontrollposten warten, bis der Gast dem Konsul gemeldet war. Wenn Cicero ihn sehen wollte, ging ich hinaus, überprüfte die Identität und führte ihn zu ihm. Auf diese Weise wurden Catulus, Isauricus, die
beiden Lucullus-Brüder sowie die designierten Konsuln Silanus und Murena ins Haus geleitet. Sie alle brachten die Nachricht mit, dass man Cicero in ganz Rom für einen Helden hielt. Opfer wurden zu seinen Ehren dargebracht, Dankgebete für seine Sicherheit gesprochen, und währenddessen hagelte es Steine auf Catilinas leeres Haus.
    Der Strom an Geschenken und Grußbotschaften, der Ciceros Haus auf dem Esquilin erreichte, riss den ganzen Morgen nicht ab. So viel Blumen, Wein, Kuchen und Olivenöl trafen ein, dass es im Atrium wie an einem Marktstand aussah. Clodia schickte einen üppig gefüllten Korb mit Früchten aus ihrem Obstgarten auf den Palatin. Den fing Terentia jedoch ab, bevor er ihren Mann erreichen konnte, und ich sah den Argwohn in ihren Augen, als sie die beigelegte Notiz Clodias las. Sie befahl dem Hausverwalter, das Obst wegzuwerfen, weil es, so ihre Begründung, vergiftet sein könne.
    Cicero erließ Haftbefehl gegen Vargunteius und Cornelius. Die Führer des Senats drängten auch auf die Gefangennahme Catilinas, tot oder lebendig. Aber Cicero zögerte: »Das hätten sie natürlich gern«, sagte er zu Quintus und Atticus, nachdem die Abordnung des Senats wieder gegangen war. »Sie brauchen den Haftbefehl ja nicht zu unterschreiben. Aber wenn Catilina auf meine Anordnung hin widerrechtlich getötet würde, dann kann ich mich bis ans Ende meiner Tage mit staatlichen Anklägern herumschlagen. Außerdem würde es das Problem nur kurzfristig lösen. Seine Unterstützer sitzen ja immer noch im Senat.«
    »Soll das heißen, dass du ihm erlauben willst, weiter in Rom zu leben?«, fragte Quintus aufgebracht.
    »Nein, ich will nur, dass er aus Rom verschwindet. Und zwar zusammen mit seinen Hochverräterkumpanen. Sie sollen sich allesamt der Rebellenarmee anschließen und dann auf dem Schlachtfeld umkommen, vorzugsweise hundert
Meilen entfernt von mir. Gütiger Himmel, ich würde ihnen freies Geleit zusichern und sie mit einer Ehrenwache aus der Stadt geleiten

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