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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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entworfen, sagte er zu mir, und er wisse nicht, was ihm mehr Angst einjage: der Gedanke, dass er scheitern, oder die Möglichkeit, dass er gelingen könne.

    Am nächsten Morgen bat er Quintus Fabius Sanga zu einem Besuch. Sanga war der Senator, bei dem sich Cicero an dem Tag, als man die Leiche des Jungen entdeckt hatte, nach
Opfergebräuchen und Religion der Gallier erkundigt hatte. Sanga war um die fünfzig Jahre alt und mit seinen Geschäften in Gallia Cis – und Transalpina unermesslich reich geworden. Er hatte nie mehr sein wollen als ein Hinterbänkler und betrachtete den Senat ausschließlich als einen Ort, wo er seine geschäftlichen Interessen wahren konnte. Er war ein honoriger und frommer Mann, der bescheiden lebte und dem man nachsagte, er sei sehr streng zu seiner Frau und zu seinen Kindern. Er ergriff nur in Debatten über Gallien das Wort, und dabei erwies er sich, man muss es so sagen, als unglaublicher Langweiler: Hatte er erst einmal angefangen, sich über Galliens Geografie, Klima, Stämme, Gebräuche und Ähnliches auszulassen, leerten sich die Bänke des Senats schneller, als wenn jemand »Feuer!« riefe.
    »Bist du ein Patriot, Sanga?«, fragte Cicero, kaum dass ich ihn hereingeführt hatte.
    »Ich denke doch, Konsul«, sagte Sanga vorsichtig. »Warum?«
    »Weil ich dir eine lebenswichtige Rolle bei der Verteidigung unserer geliebten Republik anvertrauen will.«
    »Mir?« Sanga machte einen höchst beunruhigten Eindruck. »Nun ja, die Gicht plagt mich doch ziemlich, und …«
    »Nein, nein, nicht so. Ich möchte nur, dass du einen Mann bittest, Kontakt zu einem anderen Mann aufzunehmen, und mir dann berichtest, was er gesagt hat.«
    Sanga entspannte sich merklich. »Nun ja, warum nicht? Um welche Männer handelt es sich?«
    »Einer ist Publius Umbrenus, ein Freigelassener von Lentulus Sura, der oft als dessen Sekretär auftritt. Er hat, glaube ich, früher in Gallien gelebt. Kennst du ihn?«
    »Ja, den kenne ich tatsächlich.«
    »Der andere braucht nur Gallier zu sein, irgendeiner. Egal, aus welcher Region. Jemand, den du kennst. Ein Gesandter von einem der Stämme wäre ideal. Der hier in Rom einen
tadellosen Leumund besitzt und dem du voll und ganz vertraust.«
    »Und was soll dieser Gallier tun?«
    »Kontakt zu Umbrenus aufnehmen und ihm anbieten, einen Aufstand gegen die römische Herrschaft zu organisieren.«
    Als Cicero mir am Abend zuvor den Plan erläutert hatte, war ich insgeheim entsetzt gewesen und rechnete damit, dass der sittenstrenge Sanga ähnlich reagieren würde: dass er die Arme in die Höhe reißen und vielleicht sogar fluchtartig den Raum verlassen würde, sobald ihm dieser ungeheuerliche Vorschlag unterbreitet worden wäre. Aber Geschäftsleute, wie ich seitdem habe erkennen müssen, sind Charaktere, die am wenigsten zu schockieren sind, weit weniger als Soldaten und Politiker. Einem Geschäftsmann kann man fast alles vorschlagen, er wird normalerweise bereit sein, zumindest darüber nachzudenken. Sanga hob nur die Augenbrauen. »Du willst Sura verleiten, Hochverrat zu begehen?«
    »Nicht unbedingt Hochverrat, aber ich will die Grenzen ihrer Niedertracht ausloten. Wie weit sind er und seine Verbündeten bereit zu gehen? Was wir wissen, ist, dass sie sich fröhlich zu Attentaten, Massakern, Brandstiftung und bewaffneter Rebellion verschwören. Das einzige verabscheuungswürdige Verbrechen, das mir noch einfällt, ist ein geheimes Bündnis mit den Feinden Roms … Nicht dass ich die Gallier als Feinde betrachte«, fügte er eilig hinzu, »aber du verstehst, was ich meine.«
    »Hast du an einen bestimmten Stamm gedacht?«
    »Nein, das überlasse ich ganz dir.«
    Sanga verstummte und überdachte die Angelegenheit. Die schmale Nase in seinem verschlagenen Gesicht zuckte. Er tippte sich an die Nase und zupfte daran. Man sah förmlich, dass er Geld roch. »Ich verfolge viele Handelsinteressen in Gallien, und Handel ist auf friedliche Beziehungen angewiesen.
Als Allerletztes will ich der Grund dafür sein, dass meine gallischen Freunde noch unbeliebter in Rom werden, als sie es ohnehin schon sind.«
    »Ich kann dir versichern, Sanga, wenn mir deine gallischen Freunde bei der Aufdeckung der Verschwörung behilflich sind, dann werden sie Nationalhelden sein.«
    »Bleibt noch die Frage meiner eigenen Verstrickung in diese Angelegenheit …«
    »Deine Rolle bleibt völlig geheim, es sei denn, dass sie, mit deiner Erlaubnis natürlich, den Statthaltern von Gallia Transalpina und

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