02 Titan
Caesar, Hybrida, Crassus, Nepos …«
»Das sind doch Hirngespinste, oder?« Cicero nahm Sanga die Tafel aus den Händen und überflog die Liste. »Die wollen sich doch nur stärker machen, als sie in Wirklichkeit sind.«
»Das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass das die Namen sind, die Capito mir geliefert hat.«
»Ein Konsul, ein Hoher Priester, ein Volkstribun und der reichste Mann Roms, der die Verschwörung schon verurteilt hat? Das glaube ich nicht!« Trotzdem warf Cicero mir die Tafel zu. »Mach eine Abschrift davon!«, befahl er mir und schüttelte dann den Kopf. »Tja, so ist das … Überlege dir genau, welche Fragen du stellst, du weißt nie, was für Antworten du bekommst.« Das war einer seiner Lieblingssprüche aus den Gerichtshöfen.
»Was soll ich den Galliern sagen? Was sollen sie als Nächstes tun?«, fragte Sanga.
»Wenn die Liste stimmt, dann wären sie gut beraten, sich der Verschwörung anzuschließen! Wann genau hat diese Unterredung stattgefunden?«
»Gestern.«
»Und wann treffen sie sich wieder?«
»Heute.«
»Dann haben sie es offensichtlich eilig.«
»Die Gallier hatten den Eindruck, dass sich die Lage in den nächsten Tagen zuspitzt.«
Cicero verstummte und dachte nach. »Sag ihnen, sie sollen schriftliche Belege für die Verwicklung verlangen, von den Männern auf der Liste, von so vielen wie möglich: Briefe
mit persönlichen Siegeln, die sie ihren Landsleuten vorzeigen können.«
»Und wenn die Verschwörer ablehnen?«
»Die Gallier sollen sagen, dass es hier um Krieg gegen Rom gehe, ihr Stamm könne an einer so riskanten Sache unmöglich ohne handfeste Beweise teilnehmen.«
Sanga nickte und sagte dann: »Ich fürchte, dass ich in dieser Sache nichts mehr für dich tun kann.«
»Warum?«
»Weil es ab jetzt viel zu gefährlich ist, noch in Rom zu bleiben.«
Als letzte Gefälligkeit erklärte Sanga sich schließlich dazu bereit, sobald die Gallier eine Antwort von den Verschwörern hätten, diese Cicero mitzuteilen. Dann würde er die Stadt verlassen. In der Zwischenzeit hatte Cicero keine andere Wahl, als wieder an Murenas Prozess teilzunehmen. Er saß neben Hortensius auf der Bank und spielte den Gelassenen, aber von Zeit zu Zeit erwischte ich ihn dabei, wie sein Blick über die Anwesenden schweifte und immer wieder bei Caesar hängen blieb, der einer der Geschworenen war, dann bei Sura, der bei den Prätoren saß, und schließlich, und das am häufigsten, bei Crassus, der nur zwei Plätze weiter auf derselben Bank wie er saß. Er muss sich sehr einsam gefühlt haben, und zum ersten Mal überhaupt bemerkte ich eine graue Strähne in seinem Haar und dunkle Ränder unter den Augen. Die Krise ließ ihn altern. In der siebten Stunde des Tages beendete Cato für die Anklage seine Zusammenfassung des Falles, und der Richter, dessen Name Cosconius war, bat Cicero um die abschließende Rede für die Verteidigung. Die Aufforderung schien ihn zu überraschen, er kramte kurz in seinen Schriftstücken, stand dann auf und ersuchte um eine Unterbrechung des Verfahrens bis zum nächsten Tag, damit er seine Gedanken ordnen könne. Cosconius war irritiert, räumte jedoch ein, dass es schon
ziemlich spät sei, und stimmte murrend Ciceros Wunsch zu. Die Schlussausführungen zu Murenas Prozess wurden verschoben.
In dem inzwischen üblichen Kokon aus Leibwächtern und Liktoren eilten wir nach Hause, wo uns aber weder Sanga noch eine Nachricht von ihm erwartete. Schweigend setzte sich Cicero an sein Schreibpult, stützte die Ellbogen auf, drückte die Fäuste gegen die Schläfen und betrachtete die Berge von Beweismitteln, die auf dem Pult lagen. Er massierte seine Schläfen, als könnte er so die Rede, die er morgen halten musste, irgendwie in seinen Kopf hineinpressen. Nie hatte ich mehr Mitleid mit ihm als in diesem Augenblick. Als ich jedoch auf ihn zutrat, um ihm meine Hilfe anzubieten, wies er mich, ohne aufzublicken und ohne ein Wort, mit einer abweisenden Handbewegung aus dem Zimmer. Erst am Abend sah ich ihn wieder. Später nahm Terentia mich beiseite und sagte mir, dass sie sich Sorgen um seine Gesundheit mache. Er esse nicht mehr richtig und schlafe nicht genug. Selbst seine morgendlichen Übungen, mit denen er seit frühester Jugend den Tag begann, vernachlässige er. Da sie mich nie sonderlich gemocht und die Enttäuschung über ihre Ehe oft an mir ausgelassen hatte, war ich überrascht, dass sie auf so vertraute Weise mit mir sprach. Ich war es, mit dem er den
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