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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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streckte er beide Arme aus und bedeutete den Senatoren mit einer knappen Handbewegung, dass sie sich setzen sollten, was sie auch taten. Die schulmeisterliche Geste und ihre umgehende Befolgung begründete seine Autorität, er sprach für die Republik.
    »Kennt dein Hochmut keine Grenzen? Verstehst du nicht, dass wir alle wissen, worauf du aus bist? Siehst du nicht, dass dein Komplott enttarnt ist? Glaubst du, dass es unter uns noch einen gibt, der nicht weiß, was du letzte Nacht getan hast – wo du warst, wer zu deinem Treffen kam, was ihr beschlossen habt?« Schließlich stand er, die Arme in die Hüften gestemmt, direkt vor Catilina, musterte ihn von Kopf bis Fuß und schüttelte den Kopf. »Was für Zeiten, was für Sitten!« , sagte er mit durch und durch angewiderter Stimme. »Der Senat weiß alles, der Konsul weiß alles, und doch – dieser Mann lebt noch! «
    Er wandte sich von Catilina ab. »Er lebt!«, rief er laut und ging weiter den Gang hinunter, blieb in der Mitte des Tempels stehen und wandte sich an die voll besetzten Bänke. »Er lebt nicht nur, Senatoren. Er kommt in den Senat. Er nimmt an unseren Beratungen teil. Er hört uns zu. Er beobachtet uns – und überlegt sich, wen er töten wird! Dienen wir so unserer Republik – indem wir einfach dasitzen und darauf hoffen, dass es nicht uns trifft? Wie mutig wir doch sind! Schon vor zwanzig Tagen haben wir uns selbst die Vollmacht zum Handeln erteilt. Wir haben das Schwert – aber wir zücken es nicht! Auf der Stelle, Catilina, hätte man dich hinrichten müssen. Aber du lebst noch! Und solange du lebst, wirst du an deinem Komplott festhalten, ja, du wirst es vorantreiben!«
    Ich nehme an, jetzt musste sogar Catilina das Ausmaß seines Fehlers erkannt haben, in den Tempel gekommen zu sein. Was körperliche Kraft und dreiste Unverschämtheit anging, war er Cicero weit überlegen. Aber der Senat war nicht die Arena für nackte Gewalt. Hier war das Wort die Waffe, und nie hatte es jemanden gegeben, der mit dem Wort so gut umgehen konnte wie Cicero. Zwanzig Jahre lang, wann immer die Gerichtshöfe getagt hatten, war kaum ein Tag vergangen, an dem Cicero sein Handwerk nicht praktiziert hatte. In gewissem Sinn war sein ganzes Leben nichts anderes als die Vorbereitung auf diesen Augenblick gewesen.
    »Sprechen wir über die Ereignisse des gestrigen Abends. Du bist in die Gasse der Sichelmacher gegangen – um präzise zu sein: zum Haus von Marcus Laeca. Dort stießen deine verbrecherischen Komplizen zu dir. Nun, leugnest du? Warum so stumm? Wenn du leugnest, dann werde ich es beweisen. Einige der gestern Anwesenden sehe ich sogar jetzt im Senat. Bei allen Göttern, wo in aller Welt sind wir? Was ist das für ein Land? In welcher Stadt leben wir? Hier,
Senatoren, hier, in unserer Mitte, in dieser geheiligsten und bedeutendsten Versammlung der Welt, gibt es Männer, die uns vernichten wollen, die unsere Stadt vernichten wollen, die ihr Zerstörungswerk auf die gesamte Welt ausdehnen wollen!
    Du bist also im Haus von Laeca gewesen, Catilina. Du hast Italien aufgeteilt. Du hast entschieden, welcher Mann wo hingehen soll. Du hast gesagt, sofort nach meinem Tod würdest du selbst gehen. Du hast die Teile der Stadt bestimmt, die niedergebrannt werden sollten. Du hast zwei Männer zu meiner Ermordung geschickt. Also, Catilina, ich frage dich: Warum bringst du die Reise, die du begonnen hast, nicht zu Ende? Verlasse doch endlich die Stadt! Die Tore stehen dir offen. Mach dich aus dem Staub. Die Rebellenarmee erwartet ihren General. Und nimm all deine Männer mit. Reinige die Stadt. Errichte eine Mauer zwischen uns. Du kannst nicht länger unter uns weilen – ich kann es nicht, ich werde es nicht, ich darf es nicht dulden!«
    Er schlug sich mit der Faust auf die Brust und hob den Blick zur Decke des Tempels, während die Senatoren aufsprangen und ihm zujubelten. »Töte ihn!«, rief einer. »Töte ihn! Töte ihn!« Einer nach dem anderen nahm den Ruf auf. Cicero hob die Hand, worauf die Senatoren verstummten und sich wieder setzten.
    »Wenn ich den Befehl gebe, dich zu töten, dann hat sich der Staat immer noch mit den restlichen Verrätern herumzuschlagen. Wenn du aber, worauf ich schon lange dränge, die Stadt verlässt, dann wird mit dir auch der Abschaum aus der Stadt geschwemmt, der für dich Komplizen und für uns andere tödliche Feinde darstellt. Nun, Catilina? Worauf wartest du? Was bleibt dir noch in dieser Stadt, das dir zur Freude gereicht?

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