02 Titan
deshalb vollauf mit Regierungsgeschäften beschäftigt. Aus jedem Winkel Italiens trafen Berichte über Unruhen ein: vom Stiefelabsatz und der -spitze, vom Knie und vom Oberschenkel. Celer hatte alle Hände voll zu tun, die Unzufriedenen in Picenum festzusetzen. Es gab sogar Gerüchte, dass Catilina zum Äußersten gehen und für das Versprechen der Freilassung Sklaven in seine Rebellenarmee aufnehmen würde –
sollte dies geschehen, würde das ganze Land schon bald in Flammen aufgehen. Es galt, weitere Truppen auszuheben, und Cicero überredete Hybrida, das Kommando über eine neue Armee zu übernehmen. Der Grund dafür lag zum Teil darin, Einigkeit gegen die Aufständischen zu demonstrieren, vor allem aber wollte er Hybrida aus der Stadt schaffen, weil er immer noch nicht vollkommen von der Loyalität seines Mitkonsuls überzeugt war und ihn nicht in Rom wissen wollte, wenn Sura und die anderen Verschwörer sich zum Handeln entschlossen. Meiner Meinung nach war es Wahnsinn, einem Mann, dem man nicht vertraute, eine ganze Armee zu unterstellen. Aber Cicero war kein Idiot. Er berief einen Senator mit fast dreißig Jahren Militärerfahrung, Marcus Petreius, zum Stellvertreter Hybridas und gab ihm einen versiegelten Brief mit Anweisungen mit, den er nur öffnen durfte, wenn eine Schlacht bevorstand.
Bei Wintereinbruch hatte es den Anschein, als stünde die Republik kurz vor dem Kollaps. Bei einer Volksversammlung ritt Metellus Nepos scharfe Attacken gegen Ciceros Konsulat. Er warf ihm alle nur denkbaren Verbrechen und Torheiten vor – Gewaltherrschaft, Schwäche, Leichtsinn, Feigheit, Selbstgefälligkeit, Inkompetenz. »Wie lange noch«, rief er aus, »darf den Menschen Roms der Beistand des einzigen Mannes vorenthalten werden, der sie aus dieser erbärmlichen Lage befreien kann – Gnaeus Pompeius, der zu Recht den Zunamen ›Magnus‹ führt?« Cicero hatte an der Versammlung nicht teilgenommen, war aber über jedes Wort unterrichtet worden.
Kurz vor Ende des Prozesses gegen Murena – ich glaube, es war am ersten Tag im Dezember – erhielt Cicero sehr frühen Besuch von Sanga. Seine kleinen Augen leuchteten, als er das Haus betrat. Zu Recht, denn er kam mit folgenschweren Neuigkeiten. Die Gallier hatten getan, was er verlangt hatte, und im Forum Suras Freigelassenen Umbrenus
angesprochen. Sie unterhielten sich freundlich und völlig unbefangen. Die Gallier beklagten ihr Los, verfluchten den Senat und erklärten, dass sie mit Catilina einer Meinung seien: Der Tod sei einem Leben in diesem Zustand der Versklavung vorzuziehen. Hellhörig geworden, schlug Umbrenus vor, die Unterhaltung an einem verschwiegeneren Ort fortzusetzen, und nahm sie mit ins nicht weit entfernte Haus von Decimus Brutus. Brutus selbst – ein Aristokrat, der vierzehn Jahre zuvor Konsul gewesen war – hatte mit der Verschwörung nichts zu tun und befand sich zu dieser Zeit außerhalb von Rom. Aber seine kluge und geschmeidige Frau war eine von Catilinas zahlreichen Liebschaften, und sie war es auch, die den Galliern vorschlug, gemeinsame Sache zu machen. Daraufhin holte Umbrenus einen der Anführer des Komplotts, den Ritter Capito, der die Gallier zur Geheimhaltung verpflichtete und ihnen mitteilte, dass der Aufstand hier in der Stadt jeden Tag beginnen könne. Sobald Catilina und die Rebellen sich Rom näherten, würde der neu gewählte Volkstribun Bestia eine Volksversammlung einberufen und die Verhaftung von Cicero fordern. Das sei das Signal für den allgemeinen Aufstand. Capito und Statilius, ein anderer Ritter, würden eine große Brandstiftertruppe anführen, die an zwölf verschiedenen Stellen in der Stadt Feuer legen sollte. In der folgenden Panik würde der junge Senator Cethegus mit einer aus Freiwilligen zusammengestellten Todesschwadron Cicero ermorden, und andere Aufständische würden weitere ausgewählte Männer töten; viele Söhne würden ihre Väter ermorden, und das Senatshaus würde gestürmt werden.
»Und wie haben die Gallier reagiert?«, fragte Cicero.
»Wie vereinbart«, sagte Sanga. »Damit sie die Erfolgschancen einschätzen könnten, sagten sie, brauchten sie eine Liste mit den Namen der Männer, die an der Verschwörung teilnehmen.
« Er zog eine vollgeschriebene Wachstafel hervor, auf der in winzigen Buchstaben zahlreiche Namen standen. »Sura«, las Sanga vor. »Longinus, Bestia, Sulla …«
»Das wissen wir schon alles«, fiel ihm Cicero ins Wort, doch Sanga hob den Finger und las weiter.
»…
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