02 - Winnetou II
Fährte vom Norden herbei führte, wo nicht eure Brüder wohnen, sondern diejenigen, welche die Feinde der Comanchen sind, die Lanero- und Taraconapachen?“
Diese Frage schien den Indianer in Verlegenheit zu setzen, was man deutlich sehen konnte, weil weder er, noch sein Sohn eine Malerei im Gesicht trug. Er antwortete nach einer Weile:
„Mein weißer Bruder tut da eine Frage, welche er sich sehr leicht selbst beantworten kann. Wir haben das Kriegsbeil gegen die Apachen ausgegraben und sind nach Norden geritten, um den Aufenthaltsort derselben auszukundschaften.“
„Was habt ihr da gefunden?“
„Wir haben Winnetou gesehen, den größten Häuptling der Apachen. Er ist mit allen seinen Kriegern aufgebrochen, um den Krieg über den Rio Conchos zu tragen. Da kehrten wir zurück, dies den unseren zu melden, damit dieselben sich beeilen möchten, über die Dörfer der Apachen herzufallen. Wir trafen dabei auf die Krieger der Comanchen und haben sie hierher geführt, damit auch sie das Verderben über unsere Feinde bringen möchten.“
„Die Comanchen werden euch dankbar dafür sein. Aber seit wann haben die Krieger der Topias vergessen, ehrliche Leute zu sein?“
Es war klar, daß der Alte irgendeinen Verdacht gegen die beiden hegte; denn er sprach zwar sehr freundlich mit ihnen, aber seine Stimme hatte eine eigentümliche Färbung, einen Klang, welchen ich stets an derselben beobachtet hatte, wenn er die heimliche Absicht hegte, jemand zu überlisten. Den vermeintlichen Topias waren seine Fragen sehr unbequem. Der jüngere blitzte ihn mit feindseligen Augen an. Der ältere gab sich alle Mühe, freundlich zu antworten, doch hörte man, daß seine Worte nur widerstrebend über seine Lippen kamen.
„Warum fragt mein weißer Bruder nach unserer Ehrlichkeit?“ sagte er jetzt. „Welchen Grund hat er, an ihr zu zweifeln?“
„Ich habe nicht die Absicht, euch zu kränken. Aber wie kommt es, daß ihr nicht bei den Kriegern der Comanchen sitzt, sondern euch hier bei den Bleichgesichtern niedergelassen habt?“
„Old Death fragt mehr, als er sollte. Wir sitzen hier, weil es uns so gefällt.“
„Aber ihr erweckt dadurch die Meinung, daß die Comanchen die Topias verachten. Es sieht ganz so aus, als ob sie Vorteil von euch ziehen wollen, euch aber nicht erlauben, bei ihnen zu sitzen.“
Das war eine Beleidigung. Der Rote brauste auf:
„Sprich nicht solche Worte, sonst hast du mit uns zu kämpfen. Wir haben bei den Comanchen gesessen und sind nun zu den Bleichgesichtern gekommen, um von ihnen zu lernen. Oder ist es vielleicht verboten, zu erfahren, wie es in den Gegenden und Städten der Weißen zugeht?“
„Nein; das ist nicht verboten. Aber ich an eurer Stelle würde vorsichtiger verfahren. Dein Auge hat den Schnee vieler Winter erblickt; darum solltest du wissen, was ich meine.“
„Wenn ich es nicht weiß, so sage es mir!“ erklang es höhnisch. Da trat Old Death nahe zu ihm hin, bückte sich ein wenig zu ihm nieder und fragte in fast strengem Ton:
„Haben die Krieger der Comanchen mit euch die Pfeife des Friedens geraucht, und habt ihr auch den Rauch des Calumets durch eure Nasen geblasen?“
„Ja.“
„So seid ihr streng verpflichtet, nur das zu tun, was zu ihrem Vorteil dient.“
„Meinst du etwa, daß wir dies nicht tun wollen?“
Die beiden sahen einander scharf in die Augen. Es war, als ob ihre Blicke sich umkrallen wollten, um miteinander zu ringen. Dann antwortete Old Death:
„Ich sehe es dir an, daß du mich verstanden und meine Gedanken erraten hast. Wollte ich dieselben aussprechen, so wäret ihr beide verloren.“
„Uff!“ rief der Rote, indem er emporsprang und zu seinem Messer griff. Auch sein Sohn richtete sich drohend auf und zog den Tomahawk aus dem Gürtel. Old Death aber beantwortete diese feindlichen Bewegungen nur mit einem ernsten Kopfnicken und sagte:
„Ich bin überzeugt, daß Ihr Euch nicht lange bei den Comanchen befinden werdet. Wenn Ihr zu denen zurückkehrt, welche Euch ausgesandt haben, so sagt ihnen, daß wir ihre Freunde sind. Old Death liebt alle roten Männer und fragt nicht, zu welchem Stamm sie gehören.“
Da zischte ihm der andere die Frage entgegen:
„Meinst du vielleicht, daß wir nicht zu dem Stamm der Topias gehören?“
„Mein roter Bruder mag bedenken, wie unvorsichtig es von ihm ist, diese Frage auszusprechen. Ich habe meine Gedanken verschwiegen, weil ich nicht dein Feind sein will. Warum verrätst du sie selbst? Stehst du nicht
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