02 - Winnetou II
und drei tüchtige Stücke gebratenen Pferdefleisches vorgelegt. Old Death aber nahm mich beim Arm und zog mich fort nach dem Feuer, an welchem die Weißen allein saßen. Als man uns dort kommen sah, stand der Offizier auf, kam uns zwei Schritte entgegen und fragte in englischer Sprache in feindseligem Ton:
„Was hatte denn eigentlich das Examen zu bedeuten, Master, welches Euch beliebte, mit mir anzustellen?“
Der Alte grinste ihn freundlich an und antwortete:
„Das werden Euch nachher die Comanchen sagen; darum kann ich mir die Antwort ersparen. Übrigens befinden sich unter euch Pferdediebe. Sprecht ja in nicht einem so hochtrabenden Ton mit Old Death! Es stehen sämtliche Comanchen zu mir und gegen euch, so daß es nur eines kleinen Winkes von mir bedarf, und es ist um euch geschehen.“
Er wendete sich mit stolzer Gebärde von ihnen ab, blieb aber stehen, um mir Gelegenheit zum Sprechen zu lassen. Gibson und William Ohlert saßen ebenfalls in der Runde. Der letztere sah außerordentlich leidend und verkommen aus. Seine Kleidung war zerrissen und sein Haar verwildert. Die Wangen waren eingefallen, und die Augen lagen tief in ihren Höhlen. Er schien weder zu sehen noch zu hören, was um ihn vorging, hatte einen Bleistift in der Hand und ein Blatt Papier auf dem Knie liegend und stierte in einem fort auf dasselbe nieder. Mit ihm hatte ich zunächst nichts zu tun. Er war willenlos. Darum wendete ich mich an seinen Verführer:
„Treffen wir uns endlich, Master Gibson? Hoffentlich bleiben wir von jetzt an für längere Zeit beisammen.“
Er lachte mir geradezu in das Gesicht und antwortete:
„Mit wem redet Ihr denn da, Sir?“
„Mit Euch natürlich!“
„Nun, so natürlich ist das doch wohl nicht. Ich ersehe nur aus Eurem Blick, daß ich gemeint bin. Ihr nanntet mich Gibson, glaube ich?“
„Allerdings.“
„Nun, so heiße ich nicht.“
„Seid Ihr nicht in New Orleans vor mir davongelaufen?“
„Master, bei Euch rappelt es wohl unter dem Hut! Ich heiße nicht Gibson.“
„Ja, wer so viele Namen hat, kann sehr leicht einen von ihnen verleugnen. Nanntet Ihr Euch nicht in New Orleans Clinton? Und in La Grange hießt Ihr wieder Señor Gavilano?“
„Das ist allerdings mein richtiger und eigentlicher Name. Was wollt Ihr überhaupt von mir? Ich habe nichts mit Euch zu schaffen. Laßt mich in Ruhe! Ich kenne Euch nicht!“
„Glaube es. Ein Polizist kommt zuweilen in die Lage, nicht erkannt zu werden. Mit dem Leugnen entkommt Ihr mir nicht. Ihr habt Eure Rolle ausgespielt. Ich bin Euch nicht von New York aus bis hierher gefolgt, um mich von Euch auslachen zu lassen. Ihr werdet mir von jetzt an dahin folgen, wohin ich Euch führe.“
„O! Und wenn ich es nicht tue?“
„So werde ich Euch hübsch auf ein Pferd binden, und ich denke, daß das Tier mir dann gehorchen wird.“
Da fuhr er auf, zog den Revolver und schrie:
„Mann, sagt mir noch ein solches Wort, so soll Euch der Teufel auf – – –“
Er kam nicht weiter. Old Death war hinter ihn getreten und schlug ihm den Gewehrkolben auf den Arm, daß er den Revolver fallen ließ.
„Führt nicht das große Wort, Gibson!“ sagte der Alte. „Es befinden sich hier Leute, welche sehr imstande sind, Euch den großen Mund zu stopfen!“
Gibson hielt sich den Arm, wendete sich um und schrie:
„Herr, soll ich Euch das Messer zwischen die Rippen geben? Meint Ihr, weil Ihr Old Death heißt, soll ich mich vor Euch fürchten?“
„Nein, mein Junge, fürchten sollst du dich nicht; aber gehorchen wirst du. Wenn du noch ein Wort sagst, welches mir in die Nase fährt, so niese ich dich mit einer guten Büchsenkugel an. Hoffentlich wissen es uns die Gentlemen Dank, wenn wir sie von so einem Halunken befreien, wie Ihr seid.“
Sein Ton und seine Haltung waren nicht ohne Einfluß auf Gibson. Dieser meinte bedeutend kleinlauter:
„Aber, ich weiß ja gar nicht, was ihr wollt. Ihr verkennt mich. Ihr verwechselt mich mit einem anderen!“
„Das ist sehr unwahrscheinlich. Du hast ein so ausgesprochenes Spitzbubengesicht, daß es nie mit einem andern verwechselt werden kann. Und übrigens sitzt der Hauptzeuge gegen dich hier neben dir.“
Er deutete bei diesen Worten auf William Ohlert.
„Der? – Ein Zeuge gegen mich?“ fragte Gibson. „Das ist wieder ein Beweis, daß ihr mich verkennt. Fragt ihn doch einmal!“
Ich legte William die Hand auf die Schulter und nannte seinen Namen. Er erhob langsam den Kopf, stierte mich verständnislos
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