02 - Winnetou II
Comanchen, nicht aber so einem alten Scout weismachen, wie ich bin. Als ich sie dann sah, wußte ich sofort, daß mein Verdacht mich nicht irre geführt habe. Die Topias gehören zu den halbzivilisierten Indianern. Sie haben einen weichen, verschwommenen Gesichtsausdruck. Nun seht Euch dagegen diese scharfen, spitzen, kühn geschnittenen Züge der zwei Roten an! Und gar dann, als ich sie sprechen hörte! Sie verrieten sich sofort durch die Aussprache. Und dann, als ich dem einen ins Gesicht sagte, daß er ein Apache sei, hat mir da nicht sein ganzes Verhalten recht gegeben?“
„Könnt Ihr Euch nicht täuschen?“
„Nein. Er nannte Winnetou den ‚ größten Häuptling der Apache n‘ . Wird ein Feind der Apachen sich eines Ausdruckes bedienen, welcher eine solche Ehre und Auszeichnung enthält? Ich wette mein Leben, daß ich mich nicht irre.“
„Ihr habt allerdings gewichtige Gründe. Aber wenn Ihr wirklich recht haben solltet, so sind diese Leute geradezu zu bewundern. Zwei Apachen, welche sich in eine Schar von über fünfhundert Comanchen wagen, das ist mehr als ein Heldenstück!“
„O, Winnetou kennt seine Leute!“
„Ihr meint, daß er sie gesandt hat?“
„Jedenfalls. Wir wissen von Señor Atanasio, wann und wo Winnetou den Rio Grande überschwommen hat. Er kann unmöglich schon am Rio Conchos sein, zumal mit seinen sämtlichen Kriegern. Nein, wie ich ihn kenne, so ist er direkt nach der Bolson de Mapimi geritten, um seine Apachen zu sammeln. Er hat sofort verschiedene Späher ausgesandt, um die Comanchen aufzusuchen und in die Mapimi zu locken. Während diese ihn am Rio Conchos vermuten und die Dörfer der Apachen für von aller Verteidigung entblößt halten, erwartet er sie hier und wird über sie herfallen, um sie mit einem einzigen Schlag zu vernichten.“
„Alle Wetter! Dann sitzen wir mitten drin; denn die beiden Apachen betrachten uns als ihre Feinde!“
„Nein. Sie wissen, daß ich sie durchschaut habe. Ich brauchte dem ‚Weißen Biber‘ nur ein einziges Wort zu sagen, so müßten sie eines gräßlichen Todes sterben. Daß ich das nicht tue, ist ihnen der sicherste Beweis, daß ich ihnen nicht nur nicht feindlich, sondern sehr freundlich gesinnt bin.“
„So begreife ich nur eins noch nicht, Sir. Ist es nicht Eure Pflicht, die Comanchen zu warnen?“
„Hm! Ihr berührt da einen verteufelt heiklen Punkt. Die Comanchen sind Verräter und halten es mit Napoleon. Sie haben die unschuldigen Apachen mitten im Frieden überfallen und elendiglich hingemordet. Das muß nach göttlichem und menschlichem Recht bestraft werden. Aber wir haben die Friedenspfeife mit ihnen geraucht und dürfen nicht an ihnen zu Verrätern werden.“
„Da habt Ihr freilich sehr recht. Aber meine ganze Sympathie gehört diesem Winnetou.“
„Die meinige auch. Ich wünsche ihm und den Apachen alles Gute. Wir dürfen seine zwei Leute nicht verraten; aber dann sind die Comanchen verloren, auf deren Seite wir auch stehen müssen. Was ist da zu tun? Ja, wenn wir Gibson und Ohlert hätten, so könnten wir unsers Weges ziehen und die beiden Feinde sich selbst überlassen.“
„Nun, das wird ja morgen früh der Fall sein.“
„Oder auch nicht. Es ist wohl möglich, daß wir morgen abend grad um diese Stunde in den ewigen Jagdgründen sowohl mit Apachen wie mit Comanchen einige Dutzend Biber fangen oder gar einen alten Büffelstier töten und verzehren.“
„Ist die Gefahr so nahe?“
„Ich denke es, und dazu habe ich zwei Gründe. Erstens liegen die nächsten Dörfer der Apachen nicht allzu weit von hier, und Winnetou darf doch die Comanchen nicht zu nahe an diese kommen lassen. Und zweitens führte dieser mexikanische Offizier Reden, welche mich irgendeinen Streich für heute vermuten lassen.“
„Sehr wahrscheinlich. Wir können uns auf das Calumet der Comanchen und auch auf mein Totem verlassen, zumal Winnetou Euch kennt und auch mich bereits gesehen hat. Aber wer zwischen zwei Mühlsteine kommt, selbst wenn er von dem einzelnen Stein nichts zu befürchten hat, der wird eben zermahlen.“
„So gehen wir entweder nicht dazwischen, oder wir sorgen dafür, daß sie nicht anfangen zu mahlen. Wir rekognoszieren jetzt. Vielleicht ist es trotz der Dunkelheit möglich, irgend etwas zu sehen, was meinen Gedanken eine kleine Erleuchtung gibt. Kommt leise und langsam hinter mir her! Wenn ich nicht irre, so bin ich schon einmal in diesem Tal gewesen; darum kalkuliere ich, daß ich mich schnell zurechtfinden
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