Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
konnte es selbst ein Knabe immerhin wagen, ein Stückchen in die Ebene hineinzureiten.
    Nicht so klar war es mir, was ich eigentlich aus dem interessanten Jungen machen sollte. Er verriet eine Kenntnis des Westens und eine Übung in den hier notwendigen Fertigkeiten, daß ich wohl Ursache hatte, auf ganz besondere Verhältnisse zu schließen. Es war daher wohl kein Wunder zu nennen, daß mein Auge mit der lebhaftesten Aufmerksamkeit auf ihm ruhte.
    Er ritt jetzt eine halbe Pferdelänge vor und der Schein der sich dem Horizont zuneigenden Sonne umflutete ihn mit goldenen Lichtstrahlen, bräunlich und schön, wie die heilige Schrift von dem Knaben David erzählt, zeigten seine eigenartigen Züge trotz ihrer noch jugendlichen Weichheit eine Festigkeit des Ausdruckes, welche auf frühzeitige Entwicklung des Geistes und kräftige Energie des Willens schließen ließ, und in der ganzen Haltung, in jeder einzelnen seiner Bewegungen sprach sich eine Selbständigkeit und Sicherheit aus, welche unbedingt verbot, das jugendliche Wesen als Kind zu behandeln, obgleich der Knabe nicht über sechzehn Jahre zählen konnte.
    Ich mußte unwillkürlich an die Erzählungen denken, welche ich früher gelesen hatte, an Geschichten von der Kühnheit und Selbständigkeit, welche hier im ‚far west‘ selbst Kindern zu eigen ist, und diese Selbständigkeit konnte nicht nur in Beziehung auf den Charakter, sondern auch in Betreff des pekuniären Vermögens gelten, sonst hätte er mich ja nicht vorhin nach dem Preis meines Pferdes fragen können.
    Plötzlich zog er die Zügel an.
    „Ihr wollt nach New-Venango, Sir?“
    „Ja.“
    „Und kommt aus der Savanne natürlich?“
    „Wie Ihr mir ansehen könnt, ja.“
    „Aber ein Westmann seid Ihr nicht!“
    „Ist Euer Blick so scharf, um das sofort zu erkennen?“
    „Ihr seid ein Deutscher?“
    „Ja. Spreche ich das Englisch mit einem so bösen Akzent, daß Ihr an demselben den Ausländer in mir erkennt?“
    „Bös gerade nicht, aber doch so, daß man Eure Abstammung erkennt. Wenn es Euch recht ist, wollen wir uns unserer Muttersprache bedienen!“
    „Wie, auch Ihr habt die gleiche Heimat?“
    „Der Vater ist ein Deutscher; geboren aber bin ich am Quicourt. Meine Mutter war eine Indianerin vom Stamme der Assineboins.“
    Nun war mir mit einemmal der eigentümliche Schnitt seines Gesichtes und der tiefe Schatten seines Teints erklärlich. Seine Mutter war also tot, und der Vater lebte noch. Hier stieß ich jedenfalls auf außergewöhnliche Verhältnisse, und es war mehr als bloße Neugierde, was ich jetzt für ihn empfand.
    „Wollt Ihr einmal da hinüberblicken?“ forderte er mich mit erhobenen Armen auf. „Seht Ihr den Rauch wie aus dem Boden emporsteigen?“
    „Ah, so sind wir endlich am Bluff, den ich suchte und in dessen Senkung New-Venango liegt! Kennt Ihr Emery Forster, den Ölprinzen?“
    „Ein wenig. Er ist der Vater von meines Bruders Frau, welche mit ihrem Mann in Omaha lebt. Ich komme von dort von einem Besuch zurück, und habe hier Absteigequartier genommen. Habt Ihr mit Forster zu tun, Sir?“
    „Nein. Ich will nach dem Store, um mich mit einigem zu versorgen, und fragte nur, weil er als einer der bedeutendsten Ölprinzen jedem, der in diese Gegend kommt, von Interesse sein muß.“
    „Ihr habt ihn schon gesehen!“
    „Nein!“
    „Und doch! Ihr seht ihn sogar jetzt, denn er reitet an Eurer Seite! Unsere Vorstellung war eine mangelhafte, ist aber zu entschuldigen; die Prärie kennt keine Dehors.“
    „Ich möchte diese Ansicht nicht teilen“, erwiderte ich, ohne den Yankee mit einem einzigen Blick zu beachten. „Ich meine sogar, daß die Prärie eine sehr scharfe Distinktion ausgebildet hat, deren Maßstab allerdings nicht der Geldbeutel, sondern das Gewicht des Mannes ist. Gebt einem Eurer arroganten Ölprinzen die Pistole, mit welcher Ihr so vortrefflich umzugehen versteht, in die Hand und schickt ihn nach dem Westen, er wird trotz seiner Millionen untergehen. Und fragt im Gegenfall einen unserer berühmten Westmänner, die wie unbeschränkte Fürsten mit ihren Büchsen die weite Ebene beherrschen, nach dem Money, welches er besitzt; er wird Euch in das Angesicht lachen. Da, wo der Mensch grad soviel wiegt wie die Gefahr, welche er zu überwinden vermag, leistet zum Beispiel meine ‚Patentmütze‘ bessere Dienste als der Besitz von einem Viertel- oder halben Dutzend von Ölquellen. Die Prärie schreibt ihre Gesetze und Komplimente nicht durch den Tanzlehrer,

Weitere Kostenlose Bücher