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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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um eine kleine Probe handle, und griff ganz freiwillig in einer Weise aus, daß der Knabe zuletzt nicht mehr zu folgen vermochte und mit einem Ausruf der Bewunderung sein Pferd parierte.
    „Ihr seid außerordentlich gut beritten, Sir. Ist Euch der Hengst nicht feil?“
    „Um keinen Preis, Sir“, antwortete ich, verwundert über diese Frage.
    „Laßt das Sir fort!“
    „Ganz wie es Euch beliebt. Der Mustang hat mich aus so mancher Gefahr hinweggetragen, daß ich ihm mehr als einmal mein Leben verdanke und er mir also unmöglich feil sein kann.“
    „Er hat indianische Dressur“, meinte er mit scharfem Kennerblick. „Wo habt Ihr ihn her?“
    „Er ist von Winnetou, einem Apachenhäuptling, mit welchem ich zuletzt am Rio Suanca ein weniges zusammenkam.“
    Er blickte mich sichtbar überrascht an.
    „Von Winnetou? Das ist ja der berühmteste und gefürchtetste Indianer zwischen Sonora und Columbien! Ihr seht gar nicht nach einer solchen Bekanntschaft aus, Sir.“
    „Warum nicht?“ fragte ich mit offenem Lächeln.
    „Ich hielt Euch für einen Surveyor oder etwas derartiges, und diese Leute sind zwar oft sehr brave und geschickte Männer, aber sich mitten zwischen Apachen, Nijoren und Navajos hineinwagen, dazu gehört schon ein wenig mehr. Eure blanken Revolver, das zierliche Messer da im Gürtel und die Weihnachtsbüchse dort am Riemen oder gar noch Eure Paradehaltung auf dem Pferd stimmen wenig mit dem überein, was man an einem echten und rechten Trapper oder Squatter zu bemerken pflegt.“
    „Ich will Euch ganz gern gestehen, daß ich wirklich nur so eine Art Sonntagsjäger bin, aber die Waffen sind nicht ganz schlecht. Ich habe sie aus der Front-Street in St. Louis, und wenn Ihr auf diesem Feld so zu Hause seid, wie es scheint, so werdet Ihr ja wissen, daß man dort für gute Preise auch gute Ware bekommt.“
    „Hm, ich meine, daß die Ware ihre Güte erst beim richtigen Gebrauch zeigt. Was sagt Ihr zu dieser Pistole hier?“
    Er griff in die Satteltasche und zog ein altes, verrostetes Schießinstrument hervor, welches einem viel in Gebrauch gewesenen Prügel ähnlicher sah als einer ordentlichen und zuverlässigen Feuerwaffe.
    „So! Das Ding stammt jedenfalls noch von Anno Poccahontas her; aber es kann für den damit geübten doch ganz gut sein. Ich habe Indianer oft mit dem armseligsten Schießzeug zum Verwundern umgehen sehen.“
    „Dann sagt einmal, ob Sie auch das fertiggebracht haben!“
    Er warf das Pferd zur Seite, schlug in raschem Trab einen Kreis um mich, hob den Arm und drückte, ehe ich nur eine Ahnung von seiner Absicht haben konnte, auf mich ab. Ich fühlte einen leisen Ruck an meiner kahlhäutigen Kopfbedeckung und sah zu gleicher Zeit die Helianthusblüte, welche ich an die Mütze gesteckt hatte, vor mir niederfliegen. Es schien mir ganz, als wolle der sichere Schütze darüber informieren, was von meiner Sonntagsjägerei zu halten sei, und ich antwortete also auf die ausgesprochene Frage kaltblütig:
    „Ich denke, so etwas bringt jeder fertig, obgleich es nicht jedermanns Passion ist, seine Mütze hinzuhalten, da zufälligerweise einmal ein Kopf darunter stecken kann. Schießt also auf einen anderen nicht eher, als bis Ihr ihn überzeugt habt, daß Ihr mit Eurer Pulverspritze für einen guten Schuß zusammenpaßt!“
    „Wherefore?“ fragte es da hinter mir. Sein Begleiter ritt einen hohen, schwerfälligen Gaul, der mit unseren Pferden nicht hatte Schritt halten können, und war darum erst im Augenblick des Schusses wieder zu uns gestoßen. „Der Kopf eines Savannenläufers ist samt der darauf sitzenden Pelzmütze mit einem Schuß Pulvers jedenfalls mehr als genug bezahlt!“
    Der hagere, lang- und dünnhalsige Mann hatte eine echte, verkniffene Yankee-Physiognomie. Aus Rücksicht gegen seinen Gefährten ließ ich auch diese Grobheit unberücksichtigt, obgleich es mir vorkam, als ob meinem Schweigen von dem Knaben eine falsche Ursache untergelegt werde; wenigstens sah ich über sein Gesicht einen Ausdruck gleiten, in welchem wenig Anerkennung für den von mir gezeigten Mangel an Schlagfertigkeit zu lesen war.
    Die ganze Begegnung kam mir sehr sonderbar vor, und hätte ich etwas Ähnliches in irgendeinem Roman gelesen, so wäre der Verfasser sicher in den Verdacht gekommen, Unmögliches für möglich darzustellen. Jedenfalls, das war klar, mußte eine Ansiedlung in der Nähe sein, und da seit längerer Zeit der Kriegspfad keinen der wilden Stämme in dieser Gegend geführt hatte, so

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