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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der weiße Häuptling.“
    Erstaunt sah ich ihn an.
    „Der weiße Häuptling?“
    „Hat mein Freund noch nichts gehört von Parranoh, dem grausamen Häuptling der Atabaskah? Niemand weiß, wo er hergekommen ist; aber er ist ein gewaltiger Krieger und im Rat des Stammes unter die roten Männer aufgenommen worden. Als die grauen Häupter alle zu Manitou, dem großen Geist, gegangen, hat er das Calumet des Häuptlings erhalten und viele Skalps gesammelt. Dann ist er aber von dem bösen Geist verblendet worden, hat seine Krieger wie Niggers behandelt und fliehen müssen. Jetzt wohnt er im Rat der Ponkas und wird sie zu großen Taten führen.“
    „Kennt mein Bruder sein Angesicht?“
    „Winnetou hat seinen Tomahawk mit ihm gemessen; aber der Weiße ist voller Tücke; er kämpft nicht ehrlich.“
    „Er ist ein Verräter; ich sehe es. Er will das Feuerroß halten und meine Brüder töten und berauben.“
    „Die weißen Männer?“ fragte er erstaunt. „Er trägt doch ihre Farbe!“
    „Was wird mein Freund tun?“
    „Er wird warten und sehen, ob Parranoh den Pfad des eisernen Rosses zerstört, und dann seinen weißen Brüdern entgegenreiten, um sie zu warnen.“
    Er nickte. Damals kam es nicht selten vor, daß weiße oder rote Halunken Züge zum Entgleisen brachten, um sie zu berauben. Ich werde hiervon noch zweimal zu erzählen haben.
    Das Dunkel des Abends senkte sich immer tiefer herab, so daß es immer schwieriger wurde, die feindlichen Gestalten im Auge zu behalten. Ich mußte über das Tun der Indianer genau unterrichtet sein und bat Winnetou, zu den Pferden zurückzukehren und dort auf mich zu warten. Er fügte sich meinem Verlangen, nachdem er mir gesagt hatte:
    „Wenn mein Bruder in Gefahr ist, so mag er den Schrei des Präriehuhnes ausstoßen. Ich werde dann kommen, ihm zu helfen.“
    Er bewegte sich rückwärts, und ich schlug, immer am Boden kriechend und aufmerksam jedes Geräusch beachtend, eine schräge Richtung nach dem Bahnkörper ein. Lange dauerte es, ehe ich ihn erreichte. Dann aber überkroch ich ihn und hielt auf seiner anderen Seite mit verdoppelter Vorsicht auf die Stelle zu, an welcher ich die Ponkas gesehen hatte. Ich gelangte glücklich in ihre Nähe und bemerkte, daß sie sich bei der Arbeit befanden. Es gab in dieser Gegend, was sonst in der Prärie selten ist, große Steine. Darum wohl hatten die Ponkas diese Stelle zur Ausführung ihres Vorhabens ausersehen. Ich hörte, daß sie Steine auf die Schienen häuften, und es mußten sehr große und schwere sein, wie ich aus dem tiefen Atem der Träger schloß.
    Hier war nicht die mindeste Zeit zu versäumen, und nachdem ich nur eine kurze Strecke rückwärts geschlichen war, erhob ich mich und sprang den Weg zurück, welchen ich gekommen war. Ich kannte den Punkt der Bahnstrecke nicht, an welchem wir uns befanden, und wußte ebensowenig die Zeit, in welcher ein Zug vorüberkommen mußte, doch erriet ich die Richtung, aus welcher er zu erwarten war. Das konnte alle Augenblicke geschehen, und zur Warnung war ein bedeutender Vorsprung nötig. Ich befand mich in einer nicht unbedeutenden Aufregung und wäre von Winnetou, an welchen ich fast anrannte, beinahe verkannt und niedergestochen worden.
    Nach einigen Worten der Verständigung saßen wir zu Pferde und bewegten uns in scharfem Trab längs des Schienengeleises nach Osten zu. Ein wenig Mondenschein wäre uns jetzt zwar willkommen gewesen, aber der klare Schimmer der Sterne genügte ja auch so ziemlich, uns die Strecke erkennen zu lassen.
    Eine Viertelstunde verging und noch eine. Gefahr für den herannahenden Zug war also nicht mehr zu befürchten, sobald es nur gelang, uns bemerklich zu machen. Aber besser noch war es, wenn dies ohne Wissen der Indianer geschehen konnte, und bei dem platten Terrain war das durchdringende Licht, wie es die amerikanischen Maschinen bei sich führen, auf mehrere Meilen weit bemerklich. Also ließen wir die Pferde laufen und legten so, wortlos nebeneinander haltend, noch eine ansehnliche Strecke zurück.
    Jetzt endlich schien es mir an der Zeit. Ich hielt an und sprang vom Pferd. Winnetou tat dasselbe. Nachdem die Tiere gehörig gefesselt waren, sammelte ich einen Haufen ausgedörrten Grases, dessen trockenste Teile ich zu einer Art Fackel zusammendrehte. Mit Hilfe einigen aufgestreuten Pulvers war dieselbe leicht in Brand zu stecken, und nun konnten wir das Kommende ruhig erwarten.
    Auf unseren Decken gelagert, lauschten wir in die Nacht hinein und wandten

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