02 - Winnetou II
bezahlt werden müsse, und ich glaube, ich stehe nicht sehr weit von der Erfüllung dieses Schwures. Dasselbe Rohr, welches die Mutter niederstreckte, soll auch das Werkzeug meiner Rache sein!“
„Ihr bekamt die Pistole von Winnetou?“
„Hat er Euch davon erzählt?“
„Ja.“
„Alles?“
„Nichts, als was ich eben sagte.“
„Ja, sie ist von ihm. Doch setzt Euch, Sir! Ihr sollt das Notwendigste erfahren, wenn die Sache auch nicht eine solche ist, über welche man viele Worte machen könnte.“
Er nahm neben mir Platz, warf einen beobachtenden Blick über das unter uns liegende Tal und begann:
„Vater war Oberförster da drüben im alten Land und lebte mit seinem Weib und einem Sohn in ungetrübtem Glück, bis die Zeit der politischen Gärung kam, welchen so manchen braven Mann um seine Ziele betrogen hat und auch ihn in den Strudel trieb, welchem er sich schließlich nur durch die Flucht zu entziehen vermochte. Die Überfahrt kostete ihm die Mutter seines Kindes, und da er nach der Landung mittellos und ohne Bekannte in einer anderen und neuen Welt stand, so griff er zum ersten, was ihm geboten wurde, ging als Jäger nach dem Westen und ließ den Knaben bei einer wohlhabenden Familie zurück, in welcher derselbe als Kind aufgenommen wurde.
Einige Jahre verflossen ihm unter Gefahren und Abenteuern, welche aus ihm einen von den Weißen geachteten, von ihren Feinden aber gefürchteten Westmann machten. Da führte ihn eine Jagdwanderung hinauf an den Quicourt, mitten unter die Stämme der Assineboins hinein, und hier traf er zum erstenmal mit Winnetou zusammen, welcher von den Ufern des Colorado kam, um sich am oberen Mississippi den heiligen Ton für die Calumets seines Stammes zu holen. Beide waren Gäste des Häuptlings Tah-scha-tunga, wurden Freunde und lernten in dem Wigwam desselben Ribanna, seine Tochter, kennen. Sie war schön wie die Morgenröte, und lieblich wie die Rose des Gebirges. Keine unter den Töchtern des Stammes vermochte die Häute so zart zu gerben und das Jagdkleid so sauber zu nähen, wie sie, und wenn sie ging, um Holz zu holen für das Feuer ihres Kessels, so schritt ihre schlanke Gestalt wie die einer Königin über die Ebene, und von ihrem Haupt floß das Haar in langen Strähnen fast bis zur Erde herab. Sie war der Liebling Manitous, des großen Geistes, war der Stolz des Stammes, und die jungen Krieger brannten vor Begierde, sich die Skalps der Feinde zu holen, um sie ihr zu Füßen legen zu dürfen.
Aber keiner von ihnen fand Gnade vor ihren Augen, denn sie liebte den weißen Jäger, obgleich derselbe viel älter war als alle, die sich um sie bewarben. Von ihnen war Winnetou der jüngste, fast noch ein Knabe.
Auch in des Weißen Seele waren die heiligsten Gefühle erwacht; er folgte der Spur ihres Fußes, wachte über ihrem Haupt und sprach mit ihr wie mit einer Tochter der Bleichgesichter. Da trat eines Abends Winnetou zu ihm.
‚Der weiße Mann ist nicht wie die Kinder seines Volkes. Aus ihrem Mund fallen die Lügen wie die Boudins aus einem Büffelmagen! Er hat aber stets die Wahrheit gesprochen zu Winnetou, seinem Freund.‘
‚Mein roter Bruder hat den Arm eines starken Kriegers und ist der weiseste beim Feuer der großen Beratungen. Er dürstet nicht nach dem Blut des Unschuldigen und ich habe ihm gegeben die Hand eines Freundes. Er spreche!‘
‚Mein Bruder hat lieb Ribanna, die Tochter Tah-scha-tungas?‘
‚Sie ist mir lieber als die Herden der Prärie und die Skalpe aller roten Männer.‘
‚Und er wird gut mit ihr sein und nicht hart reden zu ihren Ohren, sondern ihr sein Herz geben und sie schützen gegen die bösen Stürme des Lebens?‘
‚Ich werde sie auf meinen Händen tragen und bei ihr sein in aller Not und Gefahr.‘
‚Winnetou kennt den Himmel und weiß die Namen und die Sprache der Sterne; aber der Stern seines Lebens geht hinunter, und in seinem Herzen wird es dunkel und Nacht. Er wollte die Rose vom Quicourt nehmen in seinen Wigwam und an ihre Brust legen sein müdes Haupt, wenn er zurückkehrt vom Pfad des Büffels oder von den Dörfern seiner Feinde. Aber ihr Auge leuchtet auf seinen Bruder, und ihre Lippen sprechen den Namen des guten Bleichgesichtes. Der Apache wird gehen aus dem Land des Glücks, und sein Fuß wird einsam weilen an den Wogen des Pecos. Seine Hand wird nimmermehr berühren das Haupt eines Weibes, und nie wird die Stimme eines Sohnes dringen in sein Ohr. Doch wird er zurückkehren zur Zeit, wenn das Elen durch die
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