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020 - Die Blutgraefin

020 - Die Blutgraefin

Titel: 020 - Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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hohen, glatten, klosterähnlichen Gewölbegängen umschlossen. Wieder fand ich einen Ausweg über eine schmale, halbverfallene Treppe.
    Ich weiß nicht, wie lange ich verloren, fluchend und betend durch dieses Gewirr von Höfen und Mauern und Räumen kletterte. Seine Korridore und Türen führten immer wieder in sich selbst zurück, oder endeten abrupt, wo ich einen Weg ins Freie erhoffte. Ich wusste manchmal nicht, ob ich mich über oder unter dem Erdboden befand. Es gab viele fensterlose Räume. Ich kam aus dem inneren Teil des Gebäudes nicht heraus. Es schien mir wie ein Gefängnis, das den unberufenen Eingetretenen nicht mehr freigeben wollte. Es mussten Türen nach draußen gehen, aber ich kannte sie nicht.
    Da entdeckte ich durch Zufall eine Tür, und als ich durchtrat, wurde der gedämpfte Straßenlärm lauter. Ich atmete erleichtert auf. Ich musste mich in jedem Teil des Hauses befinden, den man von der Straße aus betreten konnte. Der Raum, in dem ich mich befand, war klein und leer und unterschied sich wenig von allen anderen, die ich betreten hatte – überall Staub und Stein und der Geruch von Alter. Eine weitere Tür führte mich in einen größeren Raum. In ihm stand jener Altar, von dem Madame gesprochen hatte, mit dem Bild der heiligen Jungfrau und einem in dieser Dämmerung aus Furcht und Zeit verloren wirkenden Ewigen Licht. Aber es war gut, diese Zeichen menschlicher Hand zu sehen. Es war wie eine Wiederkehr aus einer Gruft.
    Ich verließ den Altarraum und erreichte den Ausgang. Der Lärm der Zivilisation war betäubend, der sommerliche Geruch von heißem Teer und Autos erlösend nach all der Moderluft.
    Ich klopfte notdürftig meine verstaubten und verschmutzten Kleider ab und trat auf die Straße hinaus. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es fast halb zwölf war. Ich war mehrere Stunden in diesem Labyrinth herumgeirrt.
     

     

Madame war nicht überrascht, als ich ihr von meiner Odyssee berichtete. Als ich jenen Käfig beschrieb und auf die Möglichkeit eines Zusammenhangs mit der Seance hinwies, wurde sie bleich. Sie schob mir wortlos eine Zeitung entgegen, ein Mittagsblatt. Die Schlagzeilen stachen sofort ins Auge:
     
    VERSTÜMMELTE LEICHE EINES MÄDCHENS IM DONAUKANAL AUFGEFUNDEN!
     
    Heute Morgen fanden Arbeiter in der Nähe der Urania die verstümmelte Leiche eines etwa sechzehnjährigen Mädchens im Donaukanal. Es konnte noch nicht identifiziert werden. Es besteht kein Zweifel, dass es sich um einen Mord handelt, der mit bestialischer Grausamkeit begangen wurde.
    Neben Peitschen- und Fesselungsspuren weist die Leiche hundertvier zum Teil bis zu sechs Zentimeter tiefe Einstiche am ganzen Körper auf, die nicht von einem Messer, sondern von einem spitzen, kantigen Gegenstand herrühren.
    Der Tod ist nach Ansicht der Gerichtsmediziner durch Verbluten eingetreten. Zurzeit fehlt noch jeder Anhaltspunkt auf einen möglichen Täter. Ein Zusammenhang mit dem Mord an Kathie Riehwein besteht nach Ansicht der Polizei nicht.
     
    Ich starrte die Spiritistin an.
    »Der Käfig«, murmelte ich. »Aber wer hat ihn benützt?«
    »Die blutige Gräfin«, erwiderte sie.
    »Unsinn«, widersprach ich.
    »Geister hinterlassen keine Spuren außer in uns, Madame, das wissen Sie so gut wie ich …«
    »Sie sollten diese Dinge nicht so leichtfertig abtun, Herr Clement«, unterbrach sie mich tadelnd. »Sagten Sie nicht, Sie hätten Darvulia gesehen da drüben in dem Haus?«
    »Ich erwähnte lediglich, dass ich das Gesicht einer alten Frau sah«, entgegnete ich verärgert darüber, dass sie mir etwas Irreales einzureden versuchte, wo ich deutliche Hinweise auf menschliche Machenschaften entdeckt hatte. Und ausgerechnet mir, der ich ja von der Existenz übernatürlicher Dinge überzeugt war und gerade deshalb gelernt hatte, nach gründlichen Beweisen zu suchen.
    »Sie haben ein altes Übel beschworen«, sagte sie mit einem anklagenden Unterton. »Mit dieser Seance ist etwas wiedererwacht, was besser vergessen worden wäre. Es ist eine ungeheure magische Kraft lebendig in diesen alten Häusern.
    Niemand vermag zu sagen, was aus ihr geboren wird. Auf irgendeine seltsame Weise ist Erzsebéth Bathory, die Blutgräfin, wieder lebendig geworden.«
    »Unsinn«, murmelte ich erneut, aber es klang nicht sehr sicher.
    Ornella war noch zu Hause, als ich bei ihr eintraf. Sie wirkte übernächtigt und verstört. Ihr Haar schien frisch gewaschen.
    »Hast du schon wieder deine Haare gewaschen?« fragte ich verwundert.
    Sie

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