020 - Im Todesgriff der Schreckensmumie
den Giftbecher zu leeren und der sich ohne Hoffnung auf die Erhaltung
seiner leiblichen Hülle in den Sarkophag gelegt hatte, um mit seiner Priesterin
und Göttin zu sterben. Er hatte das größte Opfer für seine Herrin gebracht!
»Es ist erstaunlich, dass Sie sich so schnell wieder gefangen haben. Ich
hatte nicht damit gerechnet, dass Ihr Körper mit dieser Belastung fertig werden
würde«, sagte eine Stimme hinter ihm.
Iwan Kunaritschew wirbelte herum.
Ihm gegenüber stand ein Fremder – ein schmaler, abgerissen wirkender Mann.
Er hielt in der Rechten eine Fackel. Und dem Russen wurde klar, weshalb er die
ganze Zeit über verhältnismäßig gut gesehen hatte, ohne die Lichtquelle zu
beachten, weil sein Wahrnehmungsvermögen noch getrübt war.
Der Mann kicherte höhnisch. In seinen Augen flackerte ein irres Licht.
»Wer sind Sie?«, fragte Iwan, während er langsam um den steinernen
Sarkophag herumkommen wollte. Die dunkelblau schimmernde Pistole in der Linken
seines Gegenübers aber belehrte ihn, dass es besser sei, auf der Stelle zu
verharren.
Der Verrückte kicherte. »Eigentlich sollte man mich kennen. Alle Welt kennt
mich doch. Ich bin – Eldin Jameson !«
●
Die Priesterin blieb abwartend stehen.
Erst als ihre beiden Helfer aus dem Bentley stiegen, schritt sie die drei
ausgetretenen Sandsteinstufen zur Tür empor. Einer der Araber öffnete diese mit
einem großen dunklen Schlüssel. Es fiel dem PSA-Agenten auf, dass Khto-Ysiro
offenbar nicht in der Lage war, damit umzugehen. Doch er vergaß seine
Wahrnehmung wieder.
Modriger Geruch stieg in seine Nase, mischte sich mit dem Duft des
schweren, eigenartigen Parfüm Khto-Ysiros. Die Priesterin trat in das stille
Haus. Die Läden waren alle verschlossen, ebenso die Fenster. Hier schien
niemals gelüftet zu werden. Larry spürte den Drang, sich umzuwenden und zu
sehen, wer noch mit ihm gekommen war. Doch es blieb bei dem Versuch. Er konnte
den Kopf nicht drehen. Etwas zwang ihn, den Blick geradeaus zu richten – auf
den Rücken der Priesterin.
Noch immer konnte er seine Umgebung nur wie durch eine schmale schwarze
Röhre wahrnehmen. Sein Blickfeld war begrenzt. Er sah große, finstere Bilder in
schweren handgeschnitzten Rahmen. Der Flur, durch den sie kamen, war so groß
wie ein Wohnzimmer und nicht sehr ordentlich aufgeräumt.
Eldin Jameson schien überhaupt kein Freund eines sauberen Hauses zu sein.
Die Möbel waren staubbedeckt. Gleich links neben dem Eingang musste eine
hauchdünne chinesische Porzellanvase umgekippt sein. Die Scherben lagen noch
auf dem Boden.
X-RAY-3 nahm diese Dinge zur Kenntnis – und er vergaß alles schnell wieder.
Der Weg durch das Haus führte direkt durch das Wohnzimmer, dann einen
geräumigen Arbeitsraum, in dem es eine kostbare und umfangreiche Bibliothek
gab.
Dem Amerikaner fiel auf, dass auf kleinen Bänken und Tischen immer wieder
halb abgebrannte Kerzen standen. Eldin Jameson schien ein Freund einer
gemütlichen Umgebung zu sein. Umso unverständlicher war es, dass er alles so
verkommen ließ.
Khto-Ysiro schlug einen schweren, verschlissenen Vorhang zurück, der das
Zimmer abtrennte. Dahinter gliederte sich ein Raum an, der in einem
türmchenartigen Anbau auslief. Der runde Wintergarten war mit einer dick
gepolsterten Bank und einem flachen, rechteckigen Tischchen möbliert.
Grünpflanzen rankten sich an Bambusstäben in die Höhe.
An der einen Säule hing ein breites, reich verziertes Stoffband. Als Larry
daran vorbeikam, erkannte er im Dämmerlicht des grauen, trüben Tages zahlreiche
winzige Gestalten darauf. Die Bildergeschichte eines Hexensabbats. Eldin
Jameson hatte das Haus so übernommen, wie es vor fast zwei Jahrhunderten von
der als Hexe verbrannten Frau hinterlassen worden war. In der umfangreichen
Bibliothek befanden sich unzählige okkulte Titel und Schriften, die von
Lervinia selbst verfasst worden waren und ihre mehrmaligen Treffen mit dem
Satan schilderten.
Larry Brent hob den Blick und sah das bloße Gebälk über sich und ahnte mehr
das Rascheln, als dass er es hörte. Fledermäuse flatterten aufgeregt über die
Köpfe der Eindringlinge, klammerten sich wieder an den fauligen Balken fest.
X-RAY-3 hatte niemals zuvor in seinem Leben ein älteres und
heruntergekommeneres Haus gesehen. Der Wind pfiff durch die bloßen Mauerritzen,
die feuchte, ausgebleichte Tapete hing in langen Fetzen von der Wand. Die mit
Hand aufgemalten Muster waren fast völlig ausgebleicht und selbst
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