020 - Im Todesgriff der Schreckensmumie
groß vor ihm auf.
X-RAY-3 erkannte die Gesichtszüge sofort wieder. Es waren die, die er auf
der kleinen Skulptur gesehen hatte. Die einzige Skulptur – nach Bunters Worten
– die die sagenumwobene Priesterin und Göttin Khto-Ysiro wirklich zeigte, wie
sie gewesen war.
Larry Brent stand Khto-Ysiro gegenüber!
Zwar begriff er es, konnte aber die Tragweite dieser Begegnung nicht
erfassen.
Er hörte Wörter, die er nicht verstand, aber er folgte dem Zwang der
Gedanken, die ihn trieben, und er konnte dem Strom dieser Kraft nicht
widerstehen.
Larry merkte, dass er sich in Bewegung setzte, dass er den drei Gestalten
aus der Wohnung folgte. So etwas wie Selbstvorwurf stieg aus der Tiefe seines
Bewusstseins auf. Er hätte aufmerksamer sein müssen. Khto-Ysiro und ihre Helfer
hatten leichtes Spiel gehabt. Sie mussten sich in der Nähe aufgehalten und die
Vorgänge im Haus beobachtet haben. Für den Bruchteil eines Augenblicks glaubte
er die schmale graue Gestalt von Dr. Fock an der Tür zum Schlafzimmer zu
erkennen. Der Arzt rührte sich nicht, sein Blick war starr. Offenbar bekam er
das, was sich in diesen Sekunden hier abspielte, nicht mit.
Larry war nicht fähig zu erkennen, wer ihm folgte. Auch sein Hörvermögen
war beeinträchtigt. War auch Wintersley dabei? Und Bunter?
Sie stiegen die Treppen hinab. Er war nur noch eine willenlose, gehorsame
Marionette, die jeden Gedankenbefehl sofort ausführte. X-RAY-3 spürte die
knarrenden Treppen unter sich. Die Wände wogten unter seltsam verzerrten
Bewegungen auf und ab, und auch das Licht war unwirklich, gespensterhaft und
schien von einem rotierenden Projektor an die Wände geworfen zu werden.
Er bewegte sich in einer Welt des Schweigens und hatte nie zuvor einen
ähnlichen Zustand durchgemacht.
Mit einer mechanischen Bewegung stellte Larry auf dem Bürgersteig den
pelzbesetzten Kragen seines Mantels in die Höhe. Der Wind war kühl. Nebel und
Feuchtigkeit schlugen ihm entgegen. Er konnte die Straße kaum wahrnehmen. Im
Zustand der Trance setzte er sich – auf einen stillen Befehl hin – in den schwarzen
Bentley, dessen Türen von einem der Araber geöffnet wurden.
Jemand setzte sich neben den PSA-Agenten. Larry glaubte, die Umrisse
Professor Wintersleys zu erkennen.
Dann eine zweite Bewegung. Er fühlte den warmen, geschmeidigen Körper einer
Frau neben sich und atmete deren schweres Parfüm ein. Es berauschte seine
Sinne, und er merkte, wie die Farbintensität vor seinen Augen zunahm.
Der Wagen fuhr an.
Larrys stumpfer Blick war geradeaus gerichtet.
Er sah das feuchte Band der Straße vor sich und bemerkte die bizarren
Schatten der schwarzen Stämme am Rande der Allee. Dann wurde die Gegend immer
trister. Sie schienen die Stadt verlassen zu haben. Er wusste nicht, wie lange
sie gefahren waren. Jedes Zeitgefühl war ihm verlorengegangen.
Dann bog der Bentley ab. Ein holpriger, unbefestigter Weg lag vor ihnen.
Der Privatweg zum Hexenhaus des eigenwilligen und geheimnisumwitterten
Gelehrten Eldin Jameson.
●
Er vermochte kaum zu atmen. In der Tiefe seiner Kehle formte sich ein
Schrei, doch seine Stimmbänder waren zu schwach, diesem Wunsch nachzugeben.
Iwan Kunaritschew sah die Sarkophage vor sich. Sie waren alle geöffnet. Und
leer! Er glaubte zu träumen, aber er konnte die kühlen Quader fühlen und den
Staub auf den Fingerkuppen spüren. Dies alles war wirklich.
Aber warum lief er so eigenartig?
Manchmal glaubte er zu schweben, dann wieder war ihm, als müsse er knietief
durch Morast waten, so schwerfällig und unbeholfen waren seine Bewegungen.
So lief er von einem Sarkophag zum anderen. Es kam ihm vor, als würde er
sich im Kreis bewegen.
Wie kam er hierher?, fragte er sich und fühlte den Wunsch in sich
aufsteigen, einen Blick auf seine Uhr zu werfen. Einmal glaubte er, das auch zu
tun und stellte fest, dass das Zifferblatt verbogen und das Uhrglas
zersplittert war. Die Zeiger standen auf zehn Minuten nach acht Uhr.
Um diese Zeit etwa mussten er und Achman schon in der Pyramide gewesen
sein.
Achman!
Plötzlich kam die Erinnerung wie eine Sturzflut über ihn.
Die Verfolgung des Begleiters – der irgendwo im Dunkel des Labyrinths
untergetaucht und nicht mehr zurückgekommen war. Dann das Skelett ... die
Nische ... der Sturz in die Tiefe. Da musste die Uhr beschädigt worden und
stehengeblieben sein.
Das war eine Sache.
Aber da war doch noch etwas gewesen ...?
Siedend heiß überlief es ihn.
Der Tempel der Schwarzen Göttin,
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