Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
020 - Zug der Verlorenen

020 - Zug der Verlorenen

Titel: 020 - Zug der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael J. Parrish
Vom Netzwerk:
keine.«
    »Genau so ist es«, erwiderte der Schurke grinsend. »Deshalb bin ich noch am Leben…«
    Chip zischte etwas, das unverhohlen feindselig klang.
    »Ach halt's Maul, du wanzenverseuchtes Stück Fell«, blaffte Grath sie an. »Von einer verdammten Taratze lasse ich mir nichts sagen.« Ob er auch so gesprochen hätte, wenn Chip und Dale, die sogar ihn noch um einen halben Kopf überragten, nicht gefesselt gewesen wären, blieb fraglich.
    Trotz der Fesseln wollte sich Chip auf das Großmaul stürzen, verhielt aber in der Bewegung, als vorn an der Spitze des Zuges heftiges Geschrei laut wurde.
    Matt und Aruula tauschten flüchtige Blicke.
    »Was ist da vorne los?«, fragte Arzak leise. Reglos lag er im Gebüsch, die leblosen Augen weit aufgerissen. In stummer Anklage starrte er die Wächter an.
    Es war einer der Sklaven, die in der Nacht geflohen waren. Was mit ihm geschehen war, war schwer zu beschreiben. Etwas schien ihn mit furchtbarer Wut förmlich zerrissen zu haben. Seine Kleidung war zerfetzt, unzählige Biss- und Schnittwunden übersäten seinen blutüberströmten Körper. Sein Brustkorb war aufgerissen worden, das Herz fehlte. Kein Zweifel - die Fishmanta'kan hatten erneut zugeschlagen…
    »Was ist da los?«, erkundigte sich Emroc, der auf seiner Sänfte herangetragen wurde.
    Unwillig darüber, dass der Zug jäh zum Stillstand gekommen war, schlug der Sklavenmeister den Vorhang beiseite - und wurde kreidebleich, als er auf den blutüberströmten Körper blickte.
    »Das…das ist…«
    Der Eunuch wollte etwas sagen - doch das üppige Frühstück, das er vor dem Abmarsch zu sich gekommen hatte, kam ihm zuvor. In hohem Bogen schoss es aus ihm heraus und ergoss sich auf den samtenen Sitz der Sänfte.
    Emroc schüttelte sich vor Furcht und Entsetzen. Der Sklavenmeister hatte schon viele Tote gesehen - die meisten davon waren auf sein Geheiß gestorben. Nun, da sein eigenes Leben in Gefahr war, gewann die blutige Leiche im Gebüsch jedoch eine ganz andere Qualität…
    Zum ersten Mal in seinem Leben hatte der feiste Sklavenmeister Todesangst. Er fühlte sich hilflos und ausgeliefert, und dieses Gefühl behagte ihm ganz und gar nicht.
    Er war Geschäftsmann. Er war es gewohnt, lebende Ware gegen Wertmittel einzutauschen, und die Geschäfte, die er abschloss, gereichten ihm stets zum Vorteil.
    Fieberhaft dachte Emroc nach. Umzukehren hätte keinen Sinn gemacht, denn sie hatten die Hälfte der Strecke bereits hinter sich gebracht.
    Verflucht, es musste doch möglich sein, einen Ausweg auch aus dieser Situation zu finden. Er musste einen Handel schließen. Ja, das war es! Das Leben seiner Sklaven für seines…
    Der restliche Tag verlief ohne weitere Zwischenfälle. An den steilen Uferklippen entlang führte der Marsch weiter nach Nordwesten. Immer wieder musste die Karawane Umwege auf sich nehmen, wenn Meeresbuchten weit ins Landesinnere schnitten. Entsprechend langsam kam der Zug voran.
    Gegen Abend ließ Emroc seine Leute erneut das Nachtlager aufschlagen - diesmal jedoch lauteten die Anweisungen des Sklavenmeisters anders. Anstatt sie wie gewöhnlich zu einem leicht zu bewachenden Pulk zusammen zu treiben, ließ Emroc die Sklaven im Kreis um sein Zelt herum postieren, als eine Art lebende Mauer, die im Notfall das Schlimmste von ihm fernhalten sollte.
    Unruhe brach unter den Sklaven aus, als klar wurde, was der Sklavenmeister bezweckte, doch die Wächter setzten ihre Flammpeitschen ein und erstickten jeden Widerstand im Keim.
    Auch Matt war alles andere als begeistert von der menschenverachtenden Einstellung, die Emroc an den Tag legte - aber was war von einem Sklavenhändler anderes zu erwarten? Emroc sah seine Gefangenen nicht als Wesen aus Fleisch und Blut an, sondern als Ware, die ihm gehörte und über die er beliebig verfügen konnte.
    Auch an diesem Abend gab es Wasser und Brot, doch diesmal blieb das Gebalge darum aus - die meisten Gefangenen brachten eh kaum einen Bissen hinunter. Schweigend saßen sie im Kreis um das Zelt des Sklavenmeisters, starrten hinaus in das wirre Grün des Waldes, der langsam in der Dämmerung versank, und hörten das Rauschen der nahen Brandung. An Schlaf war nicht zu denken.
    »Da ist etwas«, flüsterte Aruula nach einer endlos scheinenden Weile.
    »Was meinst du?«, fragte Matt alarmiert.
    »Da ist etwas«, wiederholte die Barbarin, »ganz in unserer Nähe. Etwas Fremdes, Kaltes. Ich kann es fühlen…«
    Die lidlosen Augen, die durch das dichte Gewirr der Äste

Weitere Kostenlose Bücher