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020 - Zug der Verlorenen

020 - Zug der Verlorenen

Titel: 020 - Zug der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael J. Parrish
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starrten, beobachteten die Sklaven auf der Lichtung.
    Die Kreatur hob ihre mit Schwimmhäuten besetzten Hände und gab ihren Artgenossen, die hinter ihr im Dunkel lauerten, ein lautloses Zeichen.
    Langsam schlichen sie sich an die Lichtung heran.
    Emrocs Sklaven hatten damit gerechnet, dass etwas Schreckliches geschehen würde. Als es schließlich so weit war und ein schriller Schrei über der Lichtung gellte, zuckten sie dennoch zusammen.
    »Was war das?«, fragte Aruula.
    »Das kam von da drüben«, knurrte Matt und blickte sich um.
    Ein erneuter Schrei, dazu die aufgeregten Rufe der Wachen. Flackerndes Fackellicht erhellte die Lichtung nur spärlich; man konnte so gut wie nichts erkennen.
    »Hiiilfe!«, rief jemand laut. »Helft mir! Etwas hat mich gepackt! Sie holen mich! Sie…aaaah!« Man sah gerade noch, wie einer der Sklaven aus dem Kreis seiner Leidensgenossen gerissen wurde und kopfüber im Dickicht verschwand.
    Sein Schrei verstummte jäh.
    Einzelne Sklaven schrien entsetzt auf. Matt sah, wie das Buschwerk um sie herum lebendig zu werden schien.
    Plötzlich glaubte er mehrere dunkle Gestalten zu erkennen, die in gebückter Haltung durchs Dickicht huschten - oder waren es nur die Schatten der Wächter, die das flackernde Licht der Fackeln gegen das dunkle Grün der Bäume warf?
    Die Sklaven drängten sich aneinander. Die Frauen schrien, die Taratzen knurrten mit gesträubtem Fell. Einige der Sklaven sprangen auf und wollten die Flucht ergreifen - doch schon zückten die Flammpeitschen der Wächter vor und rissen sie wieder nieder. Emroc hatte nicht vor, die Mauer aus menschlichen Leibern so ohne weiteres ziehen zu lassen!
    Noch einmal erklang irgendwo ein Schrei - dann war es vorbei, so plötzlich, wie es begonnen hatte.
    Stille breitete sich über die Lichtung wie ein Leichentuch, nur noch angstvolles Wimmern war zu hören.
    Unheimliche Geräusche geisterten durch den nächtlichen Wald, bald ganz nah, dann wieder weit entfernt. Die Wachen tauschten nervöse Blicke, wussten nicht, worauf sie mit den Bolzen ihrer Armbrüste zielen sollten.
    Dann, plötzlich und als alle schon glaubten, es sei vorüber, griff der Feind wieder an.
    »Da ist etwas!«, schrie eine junge Frau - und wurde im nächsten Moment ins Dickicht gezerrt, von etwas, das so schnell war, dass kein Auge ihm in der Dunkelheit folgen konnte.
    Wieder gab es Rufe und Tumult, Menschen schrien in Todesangst, und wieder tauchte das grüne Flackern der Flammpeitschen die Lichtung in fahlen Schein.
    So ging es die ganze Nacht.
    Weder die Sklaven noch ihre Bewacher fanden Ruhe, und auch Emroc, der sich in sein Zelt zurückgezogen und sich die seidene Decke weit über den Kopf gezogen hatte, fand in dieser Nacht keinen Schlaf.
    Erst gegen Morgen, als die Dämmerung den Horizont in blasses Licht tauchte und zaghafter heller Schein wie eine Erlösung auf die Lichtung fiel, kehrte Ruhe ein.
    Matt machte sich keine Illusionen darüber, dass diese Ruhe trügerisch war.
    Es war die Ruhe vor dem Sturm.
    Das Licht des neuen Tages ließ das ganze Ausmaß des Schreckens offensichtlich werden. Fünf Sklaven waren in der vergangenen Nacht spurlos verschwunden, waren von der Seite ihrer Leidensgenossen gerissen worden. Ihre Fesseln waren auf rätselhafte Weise durchtrennt worden. In der Nähe des Lagers wurden Schleifspuren entdeckt und Fußabdrücke, die entfernt an Flossen erinnerten. Den grausigsten Fund aber machten zwei von Emrocs Leuten, die am Morgen die Gegend erkundeten - unweit des Lagers fanden sie die Leiche eines Sklaven im Gras liegen, blutüberströmt und mit herausgerissenem Herzen.
    »Wer tut so etwas?«, fragte der eine der beiden Männer erschüttert. Den Tod eines Sklaven hätte er fraglos verschmerzen können - doch die Angst, vielleicht selbst auf so grausige Art und Weise zu enden, setzte ihm zu.
    Der Marsch ging weiter, unmittelbar an der Küste entlang. Immer wieder lichtete sich der Wald und machte Sanddünen oder schroffen Felsen Platz.
    ***
    Die meisten der Sklaven schwiegen während des Marsches. Ängstlich starrten sie ins Dickicht, fürchteten jeden Moment von den Fremden gepackt und fortgerissen zu werden.
    Aruula wich nicht von Matts Seite. Matthew wusste nicht zu sagen, ob die Barbarin seinen Schutz suchte oder ob sie es als ihre Ehrenpflicht betrachtete, ihn vor den Fischwesen zu beschützen. Die natürlichen Instinkte der jungen Kriegerin waren viel stärker ausgeprägt als seine, sie spürte die Bedrohung noch intensiver als er.

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