0201 - Im Zentrum des Schreckens
nicht, glaube mir.«
»Ich hoffe es, denn wenn sie gewinnen sollte, ginge es mir auch schlecht.«
Es waren seine letzten Worte. So rasch wie er erschienen war, verschwand er auch wieder. Zurück blieben die fünf Mitglieder der Mordliga und Solo Morasso.
»Asmodina wird nicht gewinnen«, flüsterte er heiser. »Sie schafft es nicht. Ich will ihren Kopf, und ich werde ihn bekommen. Zum Schluss triumphiere ich!« Er sagte dies und schlug zur Bekräftigung seiner Worte mit der Faust auf den Tisch.
Niemand der anderen widersprach ihm. Die Mordliga war von ihrem Sieg überzeugt.
***
Ich schaute auf den Nagel. Er lag auf dem Handteller der Teufelstochter und hatte ihr nichts getan. Seine Kraft war einfach nicht stark genug, um Asmodina zu zerstören. Da hätte ich schon stärkere Kaliber wie mein Kreuz auffahren müssen. Gut gegen Böse. Der uralte Kampf. Bisher hatte ich ihn für mich entscheiden können, nun aber hatten sich die Vorzeichen verändert.
Mein Blick löste sich von dem Nagel und glitt über die Gestalt der Teufelstochter. Sie sah so aus, wie ich sie in Erinnerung hatte, bis auf eine Kleinigkeit. Ihr Gesicht. Es zeigte nicht mehr die normale Haut, sondern war pechschwarz und wirkte ledern. Irgendetwas musste mit ihr geschehen sein, ich wagte allerdings nicht, danach zu fragen.
Einen Schritt neben ihr stand Asmodis. Der Teufel! Von Angesicht zu Angesicht sah ich ihn. Das dreieckige Gesicht. Spitz lief es unten zu. Über dem Kinn befand sich der langgezogene, viereckige Mund. Dann eine Nase, die keine normale Form aufwies. Sie erinnerte mich an eine Mischung zwischen dem Geruchsorgan eines Tieres und dem eines Menschen. Das Gesicht schimmerte bräunlich. Ich konnte sogar die wenigen Haare eines Fells erkennen. Aus der breiten Stirn wuchsen zwei Hörner. Sie waren ein wenig gedreht, die Spitzen zeigten nach oben. Der Teufel trug einen schwarzen Umhang, den er fest um seine magere Gestalt gezogen hatte. In der Mitte klaffte der Umhang auf. Ich sah ein Bein. An das Bein schloss sich jedoch kein menschlicher Fuß, sondern der eines Pferdes an. Jetzt sah ich den Satan vor mir. Und ich lebte, was für mich schon so etwas wie ein kleines Wunder war.
Zum ersten Mal sprach Asmodis. Er sagte einen Satz, der mir unter die Haut ging.
»Willkommen in der Hölle, John Sinclair!«
Obwohl ich große Angst verspürte, blieb ich äußerlich relativ gelassen.
»Bin ich tatsächlich in der Hölle?«
»Ja, im Zentrum des Schreckens.«
»Die Hölle habe ich mir immer anders vorgestellt.« Da riss der Satan seinen Rachen auf, und seine Augen rotierten feuerrot.
»Du denkst zu menschlich, Sinclair. Die Hölle hat tausend Gesichter, eines davon siehst du hier. Es gibt auch das andere Gesicht, das grauenvolle. Vielleicht wirst du es sehen. Nein, nicht nur vielleicht, sondern bestimmt.«
»Danke, mir reicht dies schon.«
Satan lachte. »Du bist wirklich noch nicht klein genug, John Sinclair. Aber wir werden es schon schaffen.« Dabei warf er seiner Tochter einen auffordernden Blick zu.
»Und wie«, sagte Asmodina. Sie hatte mich die gesamte Zeit über angestarrt, und der Hass in ihren Augen war nicht zu übersehen. Sie wollte mich vernichten. Von ihrem Standpunkt aus gesehen war das sogar legitim. Denn ich hatte ihr wirklich zu viele Niederlagen beigebracht. Sie hatte es oft versucht, aber immer wieder war sie zurückgeschlagen worden. Wie musste es in einem Wesen, dessen Innerstes praktisch nur aus Hass bestand, aussehen, wenn es jetzt seinem ärgsten Todfeind gegenüberstand.
»Hat er Waffen?« fragte Asmodis. Er dachte da schon praktischer als seine Tochter.
»Bestimmt«, erwiderte seine Tochter und verzog das schwarze Gesicht zu einem Grinsen.
»Gib es zu!« fuhr sie mich scharf an. Ich wollte schon nicken, als mir etwas einfiel. Die Idee wurde wirklich in einem winzigen Augenblick in meinem Kopf geboren, und wenn man von dem Begriff Gedankenblitz sprechen kann, dann war es bei mir der Fall. Warum sollte ich nicht versuchen, Asmodina und ihren Vater mit einem Bluff zu überlisten? Die Frage des Teufels war so gestellt worden, dass ich davon ausgehen konnte, ein Wesen vor mir zu haben, das nicht wusste, was lief.
In meinem Fall hieß das: Der Satan hatte bestimmt nicht erfahren, dass mein Kreuz nicht echt war. Und seine Tochter natürlich auch nicht.
Ich nickte.
»Du hast also Waffen?« fragte Asmodina.
»Ja.«
»Welche?«
»Meine Pistole, den Dolch…«
Asmodina winkte ab. »Die Dinge kannst du vergessen.
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