0201 - Im Zentrum des Schreckens
Mich interessiert nur dein Kreuz!«
Ich schaute sie an, und sie ließ sich tatsächlich bluffen, denn sie sagte: »Du hast es also!«
»Ich gehe nie ohne Kreuz!«
Die Teufelstochter warf ihrem Vater einen raschen Blick zu. Der Teufel grinste böse. Auch er hatte einen regelrechten Horror vor dem geweihten Kruzifix, und er verlangte mit herrischer Stimme, dass ich es abnahm und niederlegte.
Niederlegen war gut. Bisher hatte ich nicht bemerkt, dass wir überhaupt auf festem Boden standen. Mir schien es eher, als würde ich über der Erde schweben. Die Gravitationskraft war in dieser Welt aufgehoben, denn ich erkannte keine Länge, Breite oder Höhe. Alles war so seltsam, so unwirklich. Es gab keine Wände, die ich greifen konnte, keine festen Punkte zum Orientieren, höchstens der Teufel und seine Tochter. Und ich stand den beiden gegenüber. Das musste man sich einmal vorstellen. Es war zwar kein Menschheitstraum in Erfüllung gegangen, aber ich erlebte einen Teil der Hölle, wie er tatsächlich war. Ich konnte jetzt vorausgesetzt, ich würde je hier herauskommen mehr über die Hölle berichten. Doch wie hatte man mir gesagt? Die Hölle ist vielschichtig. Sie bildet keine Einheit. Ich stellte mir darunter eine Konzentration mehrerer Dimensionen vor, die sich wie die Häute einer Zwiebel überlappten. Eine andere Vorstellung von diesem Phänomen schaffte ich einfach nicht.
»Was zögerst du?« fuhr die Teufelstochter mich an. »Nimm das verfluchte Kreuz ab!«
Ich hob meine Arme. Gleichzeitig bewegte sich auch Asmodis. Mit der linken Klaue zeichnete er einen Kreis in die Luft. Im selben Augenblick erschienen aus dem Nichts Wesen, die ich genau kannte.
Es waren die gefährlichen Kugeldämonen, treue Diener des Satans, und die bauten sich wie eine Wand vor Asmodis und dessen Tochter auf, so dass ich die beiden nicht mehr sehen konnte.
Trotz meiner prekären Lage konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Beide, Asmodis als auch seine Tochter, hatten vor dem Kreuz einen regelrechten Horror. Sie wussten genau um seine Stärke, und sie bauten deshalb einen Schutzwall auf, damit ich sie nicht direkt angreifen konnte. Wenn die gewusst hätten…
Ferner wunderte es mich, dass sie noch nichts von dem von mir getöteten Kugeldämon erfahren hatten. Er hätte ihnen ja sagen können, dass mein Kreuz versagte. Oder hielten sie sich bewusst damit zurück? Eine Antwort wusste ich nicht. Sie spielte auch keine Rolle, ich musste nur meinen Bluff weiter ausbauen.
Meine Finger fanden die Kette. Ich dachte daran, wie oft ich das Kreuz schon über den Kopf gestreift hatte, aber diesmal war es ein unechtes. Und ich drückte mir beide Daumen, dass die Gegenseite auf den Bluff hereinfiel. Ich zog es hervor, dabei schielte ich auf die vor mir stehenden Kugeldämonen. Sie rührten sich nicht und hatten nur ihre Mäuler weit aufgerissen, so dass ich die gefährlichen Zähne sehen konnte und die Rachen, mit denen sie ihre Opfer verschlangen.
Dann lag das Kreuz in meiner Hand. Ich hatte den rechten Arm ausgestreckt und das Kruzifix offen auf die Fläche gelegt. Die Kugeldämonen gerieten in Bewegung. Zwei von ihnen rückten ein kleines Stück zur Seite. Es entstand ein Zwischenraum, durch den Asmodina und der Teufel mich anschauen konnten. Sie starrten auch auf das Kreuz. Gern hätte ich gesehen, wie es in ihren Gesichtern aussah. Stattdessen hörte ich einen zischenden Befehl.
»Wirf es zu Boden!«
Boden war gut. Ich kippte meine Hand nach links, so dass das nachgemachte Kreuz von der Fläche rutschen konnte. Würde es irgendwo verschwinden oder vor meinen Füßen liegenbleiben?
Es blieb liegen. Im selben Augenblick verschwanden auch die grässlichen Fratzen der Kugeldämonen. Die Köpfe, monsterhaft verzerrt, zogen sich zurück. Der Kreis um mich löste sich auf. Ich konnte wieder meine Erzfeinde direkt anschauen, und zwischen uns lag jetzt das, was die beiden immer gefürchtet hatten. Das Kreuz!
Würden sie den Bluff schlucken? Bis jetzt hatte sich nichts getan. Ich konnte erkennen, wie beide die Köpfe senkten und auf das Kreuz schauten.
»Jetzt bist du ohne Schutz!« stieß Asmodis hervor und funkelte mich aus seinen roten Augen an.
»Ja, das bin ich.«
Asmodina sagte nichts. Das beunruhigte mich. Sie starrte nur auf das Kreuz, schaute mich kurz an, dann ihren Vater und ging plötzlich auf das Kruzifix zu. Drei Schritte brauchte sie nur. Kleine Schritte. Dann blieb sie vor dem Kreuz stehen und bückte sich. Sie befand sich
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