0201 - Sternstation im Nichts
habe.
Wenige Minuten darauf startete das Schiff. Auf einem Bildgerät, das ihm der Arzt zur Verfügung gestellt hatte, sah Conrad die CREST II sich aus dem Meer der Verwüstung erheben. Die weite Ebene lag unter Dampf und Nebel begraben. Mächtig und in strahlender Helle stieg der orangerote Leuchtmantel des Transportfelds in die Höhe. Zuckende Blitze, die den Qualm zerteilten, zeigten die Stellen an, an denen sich das glühende Planeteninnere den Weg an die Oberfläche bahnte.
Es war höchste Zeit gewesen. Noch eine halbe Stunde länger, und das Schiff hätte sich nicht mehr helfen können.
Conrad fühlte sich erleichtert, aber eine Spur von Beklemmung blieb dennoch zurück. Wenn die Zerstörung so rasch fortschritt - würden sie am Südpol genug Zeit finden, um die Reparaturen zu beenden und das Flaggschiff der terranischen Flotte wieder raumtüchtig zu machen?
Zusammen mit sieben anderen Planeten bewegt sich die Welt Power auf einer Kreisbahn um eine Doppelsonne. Erscheint schon die Existenz einer stabilen Planetenbahn in der Umgebung eines Doppelsterns verwunderlich, so sind die anderen Parameter des Twin-Systems, wie man das Gebilde nannte, geradezu haarsträubend.
Die beiden Sonnen, Twin-A und Twin-B, sind beide vom Typ G1, etwas kleiner als die Sol, mit einem Durchmesser von rund 1,1 Millionen Kilometern. Twin-A und Twin-B sind einander so ähnlich wie eineiige Zwillinge. Die moderne Theorie der Astrogenese hält einen Entstehungsvorgang, bei dem aus demselben prästellaren Nebel zwei identische Sonnen geboren werden, für so unwahrscheinlich, daß er in 10 hoch 12 Fällen höchstens ein einziges Mal eintreten konnte. Im Normalfall wird einer der beiden Sternkörper sich früher zu bilden beginnen und kraft seiner Gravitation mehr Materie an sich binden als der Bruderkörper, so daß zwei Sonnen verschiedener Masse und verschiedener Strahlungsleistung entstehen.
Twin-A und Twin-B sind, von Schwerpunkt zu Schwerpunkt gemessen, nur rund fünf Millionen Kilometer voneinander entfernt.
Auf der Verbindungslinie der Schwerpunkte nähern sich die beiden Sonnenoberflächen also bis auf 3,9 Millionen Kilometer. Im Sonnenzwischenraum herrschen bizarre Gravitationsverhältnisse.
Twin-A und -B rotieren um den gemeinsamen Schwerpunkt mit hoher Geschwindigkeit.
Die acht Planeten sprechen aller astronomischen Gewohnheit Hohn indem sie sich alle auf dergleichen Umlaufbahn bewegen. Da die Bahn kreisförmig ist, hat die Entfernung vom gemeinsamen Schwerpunkt der Doppelsternkomponente für alle Planeten und alle Zeiten den gleichen Wert, nämlich achtzig Millionen Kilometer. Die Achsen der Planeten sind so ausgerichtet, daß ein Jahreszeitenwechsel nicht stattfindet. Auch in der Rotationsperiode gleichen die Planeten einander. Auf jedem von ihnen dauert ein Tag dreißig Stunden.
Ist die Entstehung eines identischen Sonnenpaars auf so engem Raum schon schwer zu verstehen, so erweist es sich als völlig unmöglich zu erfassen, welcher Vorgang acht Planeten mit, die Größe ausgenommen, gleichen Charakteristiken auf ein und dieselbe Umlaufbahn gebracht haben könnte. Eine mathematische Untersuchung ergibt, daß ein solches Gebilde im höchsten Grad unstabil ist und eine Lebensdauer von nicht mehr als ein paar Jahrzehnten hat - das heißt, wenn es überhaupt jemals zustandekommt.
Die Erkenntnis, daß das Twin-System sich jedoch wenigstens über ein paar Jahrtausende hinweg stabil erhalten hat, bringt das wohl merkwürdigste Charakteristikum dieser Konstellation zutage: Das Twin-System ist nicht auf natürlichem Wege entstanden. Es ist ein künstliches Gebilde, und mächtige, vorerst noch unbekannte Kräfte sorgen für seine Stabilität.
Aber schließlich hätte selbst einer der nicht allzuviel von Astronomie und solchen Dingen verstand, gleich von Anfang an sagen können, daß mit Twin etwas nicht in Ordnung war.
Twin lag nämlich da, wo eigentlich nichts als Nichts hätte sein dürfen, im intergalaktischen Leerraum, neunhunderttausend Lichtjahre von der heimatlichen Galaxis entfernt, und fünfhundertundfünfzigtausend vom geheimnisvollen Sternnebel der Andromeda.
Conrad Nosinsky hatte eine milde Rüge erhalten und war strafversetzt worden. Die Versetzung war eine Ironie in sich, denn sie erfüllte einen Wunsch, den Conrad schon seit langem gehabt und auch in einem offiziellen Gesuch zum Ausdruck gebracht hatte.
Er wurde Mitarbeiter beim wissenschaftlichen Stab. Sein neuer Chef war Major Hefrich, der Leitende
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