0203 - Die Geisterfrau
durchaus zuschlagen. Dann aber mußte Zamorra ihn aufspüren können.
Aber auch jetzt regte sich nichts.
Sir Winston bemerkte endlich, daß die Begeisterung seiner Gäste sich in merkbaren Grenzen hielt. »Nun ja«, lächelte er, »es ist nicht jedermanns Sache. Aber ein paar Türen weiter wird es wieder interessant. Da befindet sich der Weinkeller. Ich denke, Sie werden einem guten Tropfen nicht abgeneigt sein?«
»Man könnte es versuchen«, erwiderte Zamorra. »Danke, Mylord.«
Sir Winston verschloß den Folterkeller wieder sorgfältig. Seine Schritte hallten durch den Kellergang, den der Kerzenschein matt erleuchtete. Hier unten gab es noch keinen elektrischen Strom. Zamorra entdeckte Fackeln an den Wänden, die anzuzünden der Lord aber unterließ. Er trug einen fünfarmigen Kerzenleuchter vor sich her, der lange, gespenstische Schatten warf.
Sir Winston bemerkte es.
»Vielleicht sind das hier Ihre Gespenster«, bemerkte er vergnügt und deutete auf die Schatten. Zamorra zuckte nur mit den Schultern. Allmählich kam ihm seine Suchaktion doch wie ein Versteckspiel vor. Aber er gab es trotzdem nicht auf. Genau in dem Moment, in dem er aufhörte, nach dem Gespenst zu fahnden, hätte er es entdecken können…
Der Lord öffnete eine weitere Tür. Knarrend schwang sie auf.
Der Lichtschein fiel in den Weinkeller. Nicole stieß einen begeisterten Ruf aus, als ihr Blick auf die Etiketten der Flaschen fiel, die samt und sonders ein respektables Alter auswiesen.
»Kommen Sie ruhig«, schmunzelte der alte Lord. »Wenn wir schon mal hier unten in all dem Staub sind, können wir uns ruhig die Kehle ein wenig anfeuchten.«
Zamorra sah sich um. Weiter hinten standen Fässer. Und die sahen nicht so aus, als wären sie leer. Zamorra schätzte den Bestand an Fässern und Flaschen ab und kam zu dem Schluß, daß man ein Nobel-Restaurant mehrere Jahre lang mit dem hier gelagerten Wein hätte versorgen können.
Sir Winston drückte Zamorra den Kerzenleuchter in die Hand. »Halten Sie doch bitte einmal«, forderte er, griff in ein Regal und holte drei Kristallgläser hervor. Mit einem weißen Tuch wischte er den Staub fort, hielt sie prüfend gegen den Kerzenschein und griff dann nach kurzem Suchen in eines der Regale, um eine dickbauchige Flasche herauszuholen, die dem Etikett nach über zwanzig Jahre alt war.
Ein bereitliegender Korkenzieher fand sich rasch. Sir Winston öffnete die Flasche und schenkte die drei Gläser voll. »Greifen Sie zu«, forderte er.
»Auf Ihr Wohl, Mylord«, wünschte Nicole und setzte das Kristallglas an die Lippen.
Zamorra und Sir Winston nippten ebenfalls.
Im gleichen Moment spürte der Parapsychologe einen schmerzhaften Stich in der Brust. Das Amulett!
Er verschüttete etwas, als seine Hand zuckte. Sir Winston spie kräftig aus. Nicole, die schon geschluckt hatte, wurde fahl und begann zu würgen.
»Blut!« schrie der Lord. »Hölle und Verdammnis, das ist Blut!«
***
Da war etwas gewesen, aber nur ganz kurz! Zamorra stand wie erstarrt, versuchte, sich den Moment zurückzurufen, in dem sich das Amulett schmerzhaft gemeldet hatte. Aber es gelang ihm nicht. Nicole und der alte Lord störten seine Konzentration.
»Das ist doch nicht möglich!« bellte Sir Winston aufgebracht. »Blut! Wie kommt Blut in eine Weinflasche? Mademoiselle, haben Sie etwa auch…?«
Nicole nickte stumm und kämpfte gegen die Übelkeit an, die in ihr aufsteigen wollte. Der Geschmack allein reichte ihr schon. Sie stellte mit einer fahrigen Geste das angetrunkene Glas ins Regal.
Sir Winston streckte die Hand aus und nahm den Leuchter wieder entgegen. Grimmig hielt er die angebrochene Flasche gegen das Kerzenlicht und schüttelte sie heftig. Es gluckerte leise.
»Die Flasche war original verschlossen«, äußerte er sich. »Ich verstehe das nicht! Wenn es wirklich Blut ist, müßte es zwanzig Jahre alt sein! Das könnte doch überhaupt nicht mehr flüssig sein!«
Aber es war flüssig. Sir Winston schnupperte am Flaschenhals. »Eindeutig Blut!«
Er sah wieder Nicole an. »Sie sehen mich untröstlich, Mademoiselle! Ich…«
Zamorra schüttelte heftig den Kopf. Er schaffte es einfach nicht, den Ausgangspunkt der Magie zu erfassen. Das Gespenst hatte nur ganz kurz zugeschlagen. Und es hatte sich sofort wieder zurückgezogen, als wisse es ganz genau, daß jemand nach ihm suche.
»Darf ich die Flasche einmal haben?« bat der Professor. Sir Winston sah ihn überrascht an.
»Das wird auch ein Werk des Gespenstes
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