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0203 - Die Geisterfrau

0203 - Die Geisterfrau

Titel: 0203 - Die Geisterfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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sich auf. Ihr Gesicht wurde zur Maske aus Stein.
    »Junge Frau«, donnerte sie mit frostiger Stimme. »Was fällt Ihnen ein, in diesem Aufzug hier zu erscheinen? Wer immer Sie auch sind – verlassen Sie unverzüglich dieses Zimmer, und kleiden Sie sich an!«
    Nicole lachte leise und machte einen artigen Hofknicks. Zamorra, immer noch an der Tür, deutete eine Verbeugung an.
    Bill Fleming näherte sich dem Tisch mit energischen Schritten. »Erlauben Sie, daß ich Ihnen meinen Kollegen, Professor Zamorra aus Frankreich, vorstelle. Die junge Dame hier ist seine Sekretärin, Mademoiselle Duval.«
    »Das«, sagte Mylady eisig, »gibt ihr noch lange nicht das Recht, hier wie ein einfaches Mädchen von der Straße einzudringen und mein Auge zu beleidigen. Winston!«
    Sir Winston lehnte sich etwas zurück.
    »Ihr Aufzug gefällt mir wirklich nicht, Mademoiselle Duval«, log er.
    »Mademoiselle Duval«, fuhr Bill unbeirrt fort, »studierte übrigens nicht nur an der Sorbonne, sondern auch in Heidelberg und Harvard und legte ihre Examina summa cum laude ab.«.
    »Nicht in Oxford?« erkundigte sich Sir Winston.
    Nicole neigte leicht den Kopf. »Bedauerlicherweise nicht, Mylord.« Sie rückte sich einen Stuhl zurecht und flegelte sich darauf. »Nett haben Sie's hier.«
    »Ich ersuche Sie noch einmal, dieses Zimmer zu verlassen und anständig gekleidet zurückzukehren«, fauchte Lady Beatrice. »Patrick – geleiten Sie diese Dame hinaus!«
    »Ach, Sie sind ja gar nicht so böse, wie Sie tun«, strahlte Nicole die alte Dame an. »Gibt's wenigstens einen richtig schönen starken Kaffee? Nach dem Gespensterterror heute nacht könnte ich den schon brauchen.«
    »Kaffee?« röchelte Lady Beatrice entsetzt. »Kaffee! Patrick, haben Sie das gehört?«
    »Mit Verlaub, Mylady, ich vernahm es«, stellte der Butler fest und näherte sich Nicoles Stuhl. »Ich bedaure, Mademoiselle, aber in unserem Haus gibt es keinen Kaffee. Wir sind sehr traditionsbewußt.«
    »Tee!« Nicole schüttelte sich. »Tee und Gespenster! Ist das nicht ein bißchen viel?«
    »Was haben Sie eigentlich dauernd mit Gespenstern?« fragte Sir Winston, während sein trautes Weib sich bedächtig auf ihren Stuhl sinken ließ. Zamorra und Bill nahmen das zum Anlaß, sich ebenfalls niederzulassen.
    »Pardon, Sir«, lächelte Zamorra freundlich, »aber wir hatten in dieser Nacht die zweifelhafte Ehre, einen Besuch Ihres Hausgespenstes zu erleben. Ich muß schon sagen, daß es ein äußerst unhöflicher Geist ist, denn er versuchte, uns zu ermorden!«
    Sir Winstons Unterkiefer klappte nach unten. Sprachlos starrte er Zamorra an, dann Nicole und schließlich Bill Fleming. Dann seine Frau, deren Augen sich weiteten.
    »Ein Gespenst?« hauchte sie.
    Sir Winston faßte sich wieder.
    »Patrick! Befinden wir uns im Besitz eines Gespenstes?«
    »Bedaure, Sir«, beschied ihn der Butler. »Aber bis zur Stunde hat sich kein einziges Gespenst bereit gefunden, in unserem Haus zu spuken. Mademoiselle und Professor, meinen Sie nicht, daß Sie Ihren Scherz ein wenig ins Geschmacklose treiben?«
    Zamorra griff unwillkürlich an sein Amulett, das er unter dem Hemd trug. Es war eine unbewußte Bewegung, die eigentlich gar nicht geplant war.
    Knisterndzerplatzte das Frühstücksei Bill Flemings und floß über die weiße Tischdecke…
    ***
    »Nun, das kann ja jedem mal passieren«, flüsterte Sir Winston und starrte auf das Ei. »Aber – wieso ist das roh? Patrick!«
    Der Butler beugte sich vorsichtig über Bills Schulter und begutachtete die klebrige weißgelbe Masse.
    »Sir, es ist mir höchst unverständlich, wie ein rohes Ei auf den Tisch kommt«, äußerte er sich. »Aber ich werde selbstverständlich Sorge tragen, daß dieser Zustand bereinigt wird.« Er wandte sich um und eilte aus dem Frühstücksraum. Augenblicke später kehrte er in Begleitung eines der Küchenmädchen wieder zurück, das sich des ausgeflossenen Eies annahm und die Tischdecke vor Bill notdürftig säuberte.
    Zamorra beobachtete die Aktion nachdenklich und fragte sich, aus welchem Grund das Ei genau in dem Moment zerplatzt war, in dem er sein Amulett berührte.
    Fest stand, daß Bill selbst das Ei nicht berührt hatte. War es eine neue Heimtücke des Gespenstes gewesen? Wenn ja, dann war dieser Schloßgeist wirklich etwas ganz Besonders, weil er sich nicht an die ghostly hour, die Geisterstunde, zu halten brauchte.
    »Ich denke«, sagte Bill Fleming in diesem Moment gelassen, »dies war eine Aktion des angeblich

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