0203 - Um Mitternacht am Galgenberg
Ausweg mehr. Carru würde sie nicht entkommen lassen. In einem Reflex hob Marcel den rechten Arm. Die Messerklinge geriet in den Lichtstrahl und funkelte.
Carru lachte. »Willst du dich damit verteidigen?« höhnte er. »Du weißt doch, dass es keinen Sinn hat.«
»Ja, schon gut.«
»Ich freue mich, dass du es einsiehst.«
Noch hatten beide nichts von dem Bandenchef gesehen, aber Marcel glaubte fest daran, dass mit Carru das gleiche geschehen war wie mit Pal, seinem Komplizen. Sicherlich hatte Izzi zugeschlagen und auch den Bandenchef zu seinem Diener gemacht.
»Dreht euch um,« befahl Carru, »und geht den Weg zurück, den ihr gekommen seid. Die anderen werden sich freuen, euch zu sehen. Und vor allen Dingen wird sich Izzi freuen. Die Schlinge ist für euch bereit!«
»Du bist verrückt!« flüsterte Marcel. »Du musst wahnsinnig sein. Wie kannst du nur ein Kind hängen wollen?«
»Ob Kind oder Mann. Für Izzi ist es gleich. Er will Taten sehen, denn er allein wird die Macht erringen. Seine Erdgeister lauern bereits. Sie wollen zurück, und wir werden ihnen den Weg ebnen, denn nun ist ein großer Konkurrent ausgeschaltet. Asmodina gibt es nicht mehr. Izzi hat sie überlebt.«
»Das ist eine Sage!«
»Ja und nein. Sage und Wirklichkeit. Hier passt alles zusammen. Wir haben uns Izzi hingegeben. Wir sind zum Galgenberg gegangen und haben uns selbst aufgehängt. Es war für uns ein Vergnügen, in den Tod zu gehen. Jeder hat mitgemacht, denn jeder wusste, dass er nicht lange dort hängen würde, denn Izzi sorgte dafür, dass die Magie der Großen Alten auf die toten Körper überging und fast ein Ebenbild des großen Götzen Izzi schufen.«
Marcel spürte Colettes kleine Hände an seiner Hüfte. Das Kind klammerte sich fest. »Müssen wir jetzt sterben?« fragte es mit leiser Stimme.
Carru hatte die Frage vernommen. Er gab auch die Antwort. »Du hast es erfasst, Kleine. Ihr werdet sterben und wieder leben, um Izzi zu dienen.«
Das war zuviel für Marcel. Er sprang vor.
Mit diesem Angriff hatte Carru nicht gerechnet. Er wurde so überrascht, dass es Marcel gelang, ihm die Messerklinge in den Kopf zu stoßen. Er spürte dabei das gleiche wie zuvor bei Pal. Diese weiche, widerliche Masse, die kaum Widerstand bot und in die die Klinge tief eindrang.
Mehrmals stach er zu. Es war leicht für ihn, dies zu tun, denn Carru wehrte ich nicht einmal. Bis er dem anderen die Lampe gegen den Kopf schlug.
Marcel stöhnte auf. An der Schläfe hatte ihn der harte Rand der Lampe getroffen, und vor seinen Augen blitzten tatsächlich Sterne auf. Er taumelte zur Seite, spürte, wie es nass über seine Wange rann und konnte sich an der Felswand abstützen, als er den Schrei hörte.
Colette!
Carru lachte. Er schwenkte die Lampe. Der Strahl glitt auf den Eingang der Höhle zu, und Marcel sah, weshalb Colette so geschrien hatte.
Drei Monstren hielten sie fest. Drei hässliche, widerliche Ungeheuer, mit wurmartigen Schädeln und den Körpern von Menschen. Das Kind hatte keine Chance, diesen Klammergriffen zu entkommen, so sehr es sich auch bemühte. Die anderen waren zu stark.
Carru kam auf Marcel zu. Seine Hand hieb auf die Schulter des Mannes und schleuderte ihn herum.
»Willst du noch immer kämpfen?« höhnte er, »oder ergibst du dich?«
»Lass sie frei!« flüsterte Marcel. »Mein Gott, lasst das Kind frei. Ich bitte euch. Mit mir könnt ihr machen, was ihr wollt, aber lasst Colette laufen!«
»Nein!«
Es war endgültig gesprochen. Marcel kannte seinen Bandenchef genau. Wenn er so redete, gab es für ihn kein Zurück. Carru gab ihm einen Stoß, dass er nach vorn taumelte und er fast über seine eigenen Beine gestolpert wäre.
Jetzt sah Marcel auch, dass Carru sein Schnellfeuergewehr in der rechten Hand trug. Er hätte nie gegen ihn eine Chance gehabt.
Carru schaffte ihn nach draußen. Dort fiel er hin, weil der Bandenboss ihm die Faust in den Nacken geschlagen hatte. Marcel lag auf dem Bauch und vernahm das dünne Weinen des Mädchens.
Dann spürte er die kalten Mündungen der Gewehre im Genick. Jaques Carru sagte: »Auf zum Galgenberg! Ich will sie endlich hängen sehen…«
***
Für mich ist es heute noch ein Wunder, dass der Lastwagen die Strecke überhaupt geschafft hatte.
Bill hatte sich angeboten zu fahren, und er fuhr wie der Teufel. Der Reporter schnitt die Kurven, er rührte im Getriebe herum. Wenn der Weg enger wurde und die Kurven dementsprechend, scheute er sich nicht, mit der gleichen Geschwindigkeit
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