0204 - Herr der Grünen Hölle
transportieren. Denn es war ein recht schwieriges Unterfangen, einen Menschen, der sich wehrt, wie ein Tier an Händen und Füßen gefesselt an einer Stange durch den Urwald zu schleppen. Und hier ging es nicht um eine Handvoll Gefangener, sondern um mehr als zehn Mal so viel, als die Hände Finger hatten.
Und der Schutzgeist des Dorfes hatte befohlen, ihm diese Menschen mit der blassen Hautfarbe lebendig zu opfern. Der Götze wollte sich an den Qualen derer weiden, deren Blut auf dem Altäre zu seinen Ehren vergossen wurde.
Aber diese Weißen durchschritten den Dschungel in fast schnurgerader Linie, geführt von einem Mann, der ein Sohn des Sonnengottes sein mußte.
Und die Norte der Späher berichteten von einem Mann, auf dessen Brust eine Sonne blinkte und dessen Aussehen die Vermutung nahelegte, daß Quetztalcoatl, die Gefiederte Schlange, selbst wieder die Gestalt eines Sterblichen angenommen hatte.
»Das ist er!« kam es zischend über die Lippen des Huitzilopochtli, als ihm der Schamane Bericht erstattete. »Das ist Zamorra. Meine Kinder mögen darauf achten, daß dieser nicht entwischt.«
Mehrfach wollte Lumac, vor Kampfbegierde fiebernd, den Befehl zum Losschlagen geben. Aber immer wieder hielt ihn der Schamane zurück.
Sie würden kommen, ja, ganz sicher würden sie kommen. Sie würden das Dorf der Yanoa-Indios betreten.
Und dann waren sie in der Falle!
***
Der erste Angriff kam völlig unvermutet.
Dale Ashley, der schlanke, hochgewachsene Texaner, der mit der Nachhut ging, hatte sich für wenige Augenblicke abgesetzt. Es gibt so Dinge im Leben eines Menschen, bei deren Verrichtung er es nicht gerne hat, wenn seine Artgenossen zugegen sind.
Dale Ashley hatte sich also diskret in’s Gebüsch zurückgezogen, um sein Geschäftchen zu verrichten.
Er knöpfte gerade noch die Hose, deren Anschein einer Bügelfalte nach zweitägigem Dschungelmarsch dem Textil erste Qualität bescheinigte, zu, als ihn etwas von hinten ansprang. Mehr aus der Reaktion als aus klarem Denken heraus machte der Texaner einen Katzenbuckel. Vom Schwung getragen wurde eine kleingewachsene, rothäutige Gestalt, die mit Streifen aus weißer und gelber Farbe bemalt war, nach vorne geworfen.
Laut rief der Texaner um Hilfe. Er war gewiß ein mutiger Mann, aber wer konnte sagen, wie viele dieser Wilden ihn noch umschlichen. Seine Hand ergriff den Kampfstock wie einen Speer. Der Indio sprang auf, in seiner Hand einen Gegenstand, der Ashley an einen Dolch erinnerte.
Nur, daß dieser Dolch ein Knochen war. Ein Knochen, der spitz und scharf zugeschnitten war und der in einer Auseinandersetzung eine tödliche Waffe sein konnte.
Dale Ashley wurde eiskalt. Er oder ich, dachte er und ließ keinen Augenblick den Indio aus den Augen, der ihn geduckt wie eine Raubkatze umschlich, den Knochendolch zum Stoß in der nervigen Faust erhoben.
»Na, komm, Rothaut! Greif an!« knurrte der große Texaner, dessen Vorfahren sicher schon mit den Kriegern von Cochise und Geronimo gekämpft hatten.
Des Indios Augen blitzten vor Mordlust. Töten - den weißen Mann töten -den Göttern ein wohlgefälliges Werk tun.
Hinter sich hörte er raschelndes Laub und brechende Zweige. Der blaßgesichtige Feind bekam Verstärkung. Es blieb nicht mehr viel Zeit.
Mit einem schrillen Schrei sprang er den Gegner an. Geistesgegenwärtig riß der Amerikaner den Kampfstock hoch. Die Spitze wirkte wie ein Speer.
Der durchdringende Kampfschrei des Indio brach plötzlich ab. Stille breitete sich im Urwald aus. Erst einige Herzschläge später begannen die buntgefiederten Papageien und die durchdringenden Schreie der Brüllaffen wieder ihr nie endenwollendes Konzert.
Erschüttert stand Dale Ashley vor der Leiche des Indios. Das hatte er nicht gewollt. Aber dieser Wilde war ihm direkt in den Speer gesprungen und sofort tot gewesen.
In Ashleys Mund machte sich ein fader Geschmack breit. Es war der erste Mensch, den er getötet hatte, ein Wilder zwar, den er in fairem Kampf Mann gegen Mann besiegt hatte. Aber eben doch ein Mensch.
Und er begann, die heroischen Abenteuer aus den Kriegen mit den Indianern, die seine eigenen Vorfahren erlebt hatten, mit anderen Augen zu sehen.
Die näheren Umstände ließen ihm keine Zeit zum weiteren Nachdenken. Yagamuko durchbrach das dichte Gestrüpp, gefolgt von Professor Zamorra.
»… es war alles ein Unglücksfall!« beendete der Texaner seinen Bericht. »Ich wollte ihn wirklich nicht töten. Ich…«
Professor Zamorra legte ihm
Weitere Kostenlose Bücher