0205 - Die goldene Kralle
scharfe Blicke zu. »Wollen Sie Ihre eigene Suppe kochen?«
»Keine Bange, wir stehlen Ihnen nicht die Schau«, gab ich zurück.
»Daran habe ich auch nie gedacht.«
Der Kommissar unterhielt sich noch eine Weile mit Hans König.
Wir hörten, daß König seinen Betrieb für einige Tage schließen wollte. Auch seine Sekretärin sollte nicht mehr bleiben. Nur er wollte hin und wieder vorbeischauen.
Wir verließen das Mordzimmer.
»Jetzt ist guter Rat teuer«, sagte Will. »Wo sollen wir den Hebel ansetzen?«
Ich wußte eine Antwort. »Bisher hat es immer die Angestellten der Firma getroffen. Das sieht mir ganz und gar nach einer Serie aus. Vielleicht sollten wir dort anfangen.«
»Du meinst, daß wir alle überprüfen?«
»Wäre ein Chance, eventuell das Motiv zu finden.«
Will grinste. »Das ist ja mal ein Fall ohne Aktion. Nur Kleinarbeit und so.«
»Was meinst du, wie schnell sich das ändern kann«, sagte Suko und nahm mir die Worte aus dem Mund.
Wie recht Suko damit hatte, sollten wir schon bald erfahren…
***
Der Lack des BMW glänzte metallic grün. Ein paar schüchterne Sonnenstrahlen trafen die Antenne auf der Kofferraumklappe des Fahrzeugs und ließen sie aufblitzen. Der Wagen stand in einer schmalen Straße am Stadtpark, unweit des Schwimmbads, dessen Westseite in einen See mündete. Die getönten Scheiben machten es schwer, das Gesicht des Fahrers zu erkennen. Erst aus näherer Entfernung erkannte der Betrachter die blonden Haare und den hochgeschlagenen Trenchkragen, dessen Kante die Nackenhaare des Mannes aufstellten.
Der Mann hinter dem Lenkrad war Gerd König. Und er wartete auf seine Freundin. Er hatte Babs zweimal angerufen. Beim erstenmal hatte sie einem Treffen nicht zugestimmt, der zweite Anruf schließlich konnte sie breitschlagen.
Sie wollte ihren Job für eine Stunde vergessen und Gerd König treffen. Pünktlich war sie nie, auch an diesem späten Morgen nicht.
Sie war schon eine halbe Stunde über die Zeit.
Gerd wurde unruhig.
Aber nicht wegen der Verspätung. Auch wegen einer anderen, viel schlimmeren Sache, von der er seit einigen Stunden wußte.
Drei Tote hatte es in der letzten Zeit gegeben, und alle drei waren auf die gleiche schreckliche Art und Weise ums Leben gekommen.
Bei den ersten beiden, einem Ehepaar, da hatte er den Bericht zwar in der Zeitung gelesen, und er hatte auch mit den Beamten von der Mordkommission gesprochen, weil das ermordete Ehepaar für die Königs gearbeitet hatte, doch an sich hatte ihn die Tat kalt gelassen.
In der vergangenen Nacht jedoch war es über ihn gekommen. Da hatte er bewußt miterlebt, wie sich die Verwandlung vollzog. Bei der Erinnerung an diesen schrecklichen Vorgang brach bei ihm der Schweiß aus. Er spürte ihn am gesamten Körper, und sein Blick flackerte.
Gerd König wußte genau, daß es wiederkommen würde. Dieser unheilige Fluch aus dem Dschungel, das grausame Erbe würde sich verstärken. Dann hatte er keine Chance mehr. Irgendwann kam es so weit, daß er überhaupt nicht mehr zurückkonnte, dann würde er ewig diese Bestie bleiben, eine Mischung zwischen Mensch und Tiger.
Und seine Freundin?
Er bewegte seine Kiefernmuskeln, als er an Babs Päuse dachte.
Vielleicht sah er sie heute zum letzten Mal? Er würde ihr nichts sagen, sondern es kurz machen. Sie konnte nichts dafür, sie wußte keinen Bescheid, und wenn die Bestie in ihm erwacht war, dann mußte er töten. Dabei spielte es keine Rolle, wer unter den furchtbaren Prankenhieben starb. Ob der Mensch ihm nahestand oder nicht, das war ihm egal.
Wäre er nur nicht diesen verdammten Dschungel gegangen.
Dabei wollte er raus. Er hatte das Leben satt, wollte kein Konzernchef mehr sein, sondern sich frei entfalten können und nicht mehr den Zwängen der Wirtschaft unterliegen.
Die anderen hatten recht. All die Zauberer ferner Länder, die Mystiker und Weisen, die alte Mythologien erforscht hatten und Dinge kannten, von denen andere keine Ahnung hatten oder sie einfach mit einer Handbewegung abtaten.
Er wußte es besser.
Und nicht nur das. Ihn hatte es getroffen. Wie ein Blitzstrahl war das Grauen in seinen Körper geschlagen und hatte ihn zu einem Diener finsterer Mächte gemacht.
Er ruckte ein wenig zur Seite und schaute in den Innenspiegel.
Hatte sich sein Gesicht verändert? Nahm die Haut bereits einen anderen Ton an, oder wuchsen Haare auf ihr?
Nein, er sah völlig normal aus. Ein braungebrannter blondhaariger Mann mit einem Lächeln um beide Mundwinkel, zu
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