0205 - Die goldene Kralle
vorn nicht geschlossen und schwang auf wie ein großes Cape, als sie losrannte. Der Schal flatterte über ihre Schulter hinweg, wurde vom Luftzug hochgehoben und bildete über ihrem Rücken eine waagerecht liegende Fahne.
Das Tappen und Klatschen der Füße hinter ihr war ebenso wie das Fauchen der Bestie für Babs Päuse der Treibstoff, der sie regelrecht aufputschte, so daß sie rannte wie noch nie in ihrem Leben.
Sie mußte sich irgendwo verstecken, Hilfe holen, denn ihr Freund würde sie gnadenlos töten.
Ihre sportlichen Aktivitäten hatten sich immer auf das Zusehen bei irgendwelchen Tennismeisterschaften beschränkt. Selbst hatte sie nie Sport betrieben, das bereute sie in diesen schrecklichen Augenblicken bitter.
Sie lief nicht gerade und schnell, sondern war ziemlich schwankend auf den Beinen. Der Eingang des Schwimmbads, den sie sehen konnte, tanzte von einer Seite zur anderen, je nachdem, in welchem Laufrhythmus sie sich befand.
Dann packte die Bestie zu.
Sie hatte ihren Arm mit der Kralle regelrecht ausgefahren, und der Stoff des Schals verhakte sich in den Krallen.
Babs spürte den plötzlichen Ruck am Hals. Ihr Schrei erstickte.
Sie hatte Angst, der Schal würde sich um ihren Hals festzurren und sie erwürgen.
Der Ruck kam, riß sie nach hinten, und in diesen Sekundenbruchteilen der übergroßen Todesangst, tat sie instinktiv das Richtige. Sie drehte sich in die entgegengesetzte Richtung, so daß sich der lange Schal von ihrem Hals löste.
Barbara Päuse war frei!
Allerdings hatte sich durch diese letzte Befreiungsaktion die Fluchtrichtung geändert. Babs lief nicht mehr auf dem Gehsteig weiter, sondern quer über die Straße, gelangte an deren Abgrenzung, stolperte über den Bordstein, fing sich wieder und taumelte weiter. Hinter dem schmalen Bürgersteig lag eine weite Grünfläche. Der Winterrasen schimmerte bräunlich, die einzelnen Halme waren feucht und bildeten eine Rutschbahn, wenn sie zu schnell rannte.
Aber sie mußte es wagen.
Und sie sah Menschen.
Weiter vor ihr ging das Paar her, das den BMW passiert hatte, als Babs noch nicht eingetroffen war. Ihre Gestalten hoben sich deutlich vom Untergrund ab. Sie hatten noch nicht bemerkt, in welch einer Gefahr sich die Frau befand, die weiterrannte, den Mund geöffnet hielt und Atemwolken ausstieß.
Die Bestie gab nicht auf.
Ihre Schritte waren schwerer als die der Fliehenden. Babs Päuse hörte sie hinter sich, wie sie dumpf auf dem Rasen trommelten und auch näherkammen.
Sie holte noch einmal tief Luft und sammelte ihre Kräfte.
»Hilfe!« Der Schrei gellte über die weite Rasenfläche und erreichte auch die Ohren der beiden Spaziergänger.
Das Paar blieb stehen.
»Hilfe!« Noch einmal schrie Babs Päuse, dann konnte sie nicht mehr, stolperte und fiel der Länge nach hin. Sie schlug auf den Rasen, das Gesicht rutschte über die feuchte Oberfläche, und ihre Chance, noch einmal auf die Füße zu kommen, war gleich Null.
Die nächsten Sekunden wurden für sie zur Hölle.
Babs vernahm das Schreien der beiden Menschen, und dann hörte sie über sich das tödliche Fauchen.
Der Wertiger riß sie herum.
Die Frau sah die Gestalt über sich. Ein Monstrum, eine Mischung zwischen Mensch und Bestie, die morden wollte und die goldene Kralle bereits nach unten stieß.
In einer verzweifelten Abwehrbewegung zog Barbara die Knie an, dort wurde sie auch getroffen.
Der Schmerz war furchtbar. Sie schrie und schrie…
Die Hilfeschreie gellten über die Wiese und wurden nicht nur von dem Spaziergängerpaar gehört, sondern auch von anderen Menschen.
Aus dem nahen, kleinen Waldstück erschienen drei Männer. Sie trugen Arbeitskleidung. Es waren städtische Angestellte, die den Auftrag hatten, Bäume zu beschneiden.
Auch sie sahen das Schreckliche.
Die Männer zögerten keine Sekunde. Sie trugen ihre Scheren noch bei sich. Genau konnten sie die Bestie nicht erkennen, die Entfernung war zu groß, aber sie hörten die Schreie. Und das reichte.
Babs rollte über den Boden. Der Hosenstoff war an den Knien zerrissen, Blut quoll aus den Wunden an den Beinen, sie hatte schreckliche Schmerzen, stöhnte, weinte und schrie in einem.
Die Bestie kannte keine Gnade. Es interessierte sie nicht mehr, daß die Frau ihr einmal etwas bedeutet hatte, der unselige Fluch hatte voll von ihr Besitz ergriffen.
Sie wollte töten!
Aber da waren die Männer.
Bevor ein zweiter Schlag die am Boden Liegende treffen konnte, wurde der Wertiger gestört.
Er hatte die
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