0205 - Die goldene Kralle
Trucker noch immer auf seinen Schnitt gekommen. Betrogen hatte ihn noch keine. Alle drei Mädchen kannten seine Schmiedehammerfäuste.
Angela hatte ihm mal erzählt, mit wem sie verheiratet gewesen war. Wenn das Geschäft mal ganz schlecht lief, konnte man ihren Ehemaligen vielleicht noch erpressen. Das waren so die Hintergedanken des Zuhälters.
Er schaute auf seine protzige Uhr. Halb sieben. So langsam konnte sie antanzen, denn in dreißig Minuten begann schon ihr Job im Club. Der Besitzer reagierte sauer, wenn die Mädchen zu spät kamen.
Kurt zündete sich eine neue Zigarette an und nahm noch einen Schluck. Wenn sie in fünf Minuten nicht da war, würde sie Ärger bekommen, das stand jetzt schon fest. Als er daran dachte, rutschte seine Hand dorthin, wo im Gürtel eine flache Scheide steckte, die das lange Messer verbarg. Auf eine Schußwaffe verzichtete er, da reagierten die Uniformierten allergisch.
Plötzlich schellte es.
Mit einem Sprung war der Zuhälter auf den Beinen und wollte schon zur Tür stürzen, als er innehielt.
Nein, das war zu gefährlich. Angela besaß einen Schlüssel, warum sollte sie schellen?
Er sog die Luft ein, die Schultern unter dem beigen Jackett strafften sich. Hose und Hemd waren pechschwarz. Fast einen Meter und neunzig war er groß. Sein Haar war dunkel wie das eines Indianers, und es fiel in weichen Wellen bis in den Nacken. Das Gesicht zeigte eine Solariumbräune, und auf der Oberlippe wuchs ein dichter Bart.
Wieder schellte es.
Ein scheppernder Ton geisterte durch die kleine Wohnung. Der Trucker wurde langsam wütend.
»Ja, verdammt, wer ist denn da? Bist du es, Angela?« Während er das letzte Wort sprach, blieb er vor der Tür stehen.
Er bekam auch eine Antwort. Allerdings anders, als er sie sich vorgestellt hatte. Und so schnell und heimtückisch, daß er nicht mehr dazu kam, auszuweichen.
Etwa in Kopfhöhe zersplitterte plötzlich das morsche Holz. Die nächsten Sekunden erlebte der Zuhälter wie in Zeitlupe.
Eine gewaltige Hand stieß durch das Loch, begleitet von zahlreichen Holzsplittern.
Nein, es war keine Hand, sondern eine regelrechte Kralle.
Als der Zuhälter dies dachte, war es für ihn bereits zu spät. Die goldfarbene Kralle hatte zugeschlagen. Zwar konnte der Mann seinen Kopf noch ein wenig zur Seite drehen, doch an der rechten Seite erwischte ihn die Kralle.
Von oben nach unten fuhr sie. Haut riß wie Papier. Dunkelrotes Blut tropfte aus den Wunden, und selbst der harte Zuhälter schrie auf, wobei er zurücktaumelte und beide Hände gegen die getroffene Stelle preßte. Da er die Hände bewegte und das Blut verschmierte, rann ihm auch welches in die Augen, so daß er kaum etwas sehen konnte. Mit den Kniekehlen berührte er das Bett und fiel hintenüber. Aschenbecher und Wodkaflasche kippten um, der Fernseher fiel ebenfalls, während Heino weitersang.
Der Wertiger holte ein zweitesmal aus.
Mit dem Schlag zerfetzte er die Tür fast völlig. Noch ein Tritt, und er hatte freie Bahn.
Nichts rettete den anderen mehr. König befand sich in einem regelrechten Rausch. Er wollte herausfinden, wo sich Angela aufhielt, da ging er über Leichen.
Er kam wie eine Maschine. Die rechte Hälfte als Tiger, die andere noch menschlich und die goldene Kralle in Kopfhöhe erhoben.
Der Zuhälter wälzte sich auf dem Bett. Seine rechte Gesichtshälfte schien in einem Feuerstrom zu stehen, und auch das Auge war in Mitleidenschaft gezogen worden.
Kurt stöhnte. Ein anderer wäre vielleicht ohnmächtig geworden, doch der Zuhälter war durch eine verflucht harte Schule gegangen.
Trotz seines Zustandes sagte er sich, daß er hier nicht liegenbleiben konnte. Er mußte weg und dieser mordgierigen Bestie entkommen.
Aber die kam zu ihm.
Truckers Blick war durch einen blutroten wattigen Schleier getrübt. Allerdings erkannte er auch so, daß er es nicht mit einem normalen Menschen zu tun hatte.
Vor ihm stand ein Monstrum.
Halb Mensch, halb Tiger. Den rechten Arm erhoben. Gelbschwarz schimmerte das Fell, die goldene Kralle funkelte.
Welch eine Kraft in ihr steckte, hatte der Eindringling bewiesen, als er mit einem Schlag die Tür zerhämmerte.
Trucker hatte es gelernt, sich zu wehren. Er tastete nach seinem Messer, fand auch den Griff und holte die Waffe hervor. Dann überwand er sich selbst und schnellte in die Höhe, wobei die Messerspitze auf den Körper des anderen zielte.
Er traf auch und merkte, wie die Klinge durch Fell und Haut fuhr. Aber der andere wankte nicht.
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