0207 - 1:0 für einen Gangster
betrachtete das kleine Bildchen, das Hayber mir soeben gegeben hatte. Es waren tatsächlich dieselben Armbänder. Ich beugte mich, das Glas ins Auge geklemmt, darüber und verglich nochmals.
In diesem Augenblick hätte ich mich selbst ohrfeigen können. Fast konnte ich es nicht glauben.
Es war einfach unmöglich. Eine derartige Frechheit schlug alle Rekorde.
Die Tür knarrte, und ich blickte auf. Es war mein Kollege Neville, der seinen eisgrauen Schädel hereinsteckte.
»Ich wollte mich nur mal nach dir umsehen, Jerry«, lächelte er. »Was machst du denn da?«
Er war neben mich getreten und nahm Humbletons Bild in die Hand, das den Toten neben Grace Bossert zeigte. Er grunzte und meinte:
»Aha, das alte Rackett. Das habe ich schon vor dreißig Jahren erlebt, nur waren damals die Bilder weniger scharf als heute.«
»Setzen Sie sich mal auf meinen Platz, Neville, nehmen Sie das Glas und vergleichen Sie die beiden Mädchen«, bat ich und stand auf.
Neville runzelte die Stirn, nahm Platz und klemmte seinerseits die Lupe ins Auge. Er brauchte nur eine halbe Minute.
»Wag sagtest du da eben, Jerry?… Die beiden Mädchen? Das ist doch ein- und dieselbe. Erstens haben sie die gleichen Kleider und den gleichen Schmuck, zweitens kann ich dir sagen, dass keine zwei Girls haargenau dieselbe Figur haben. Und drittens… hast du nicht am rechten Oberarm unmittelbar an der Schulter den kleinen Leberfleck gemerkt? Er sitzt auf beiden Bildern am gleichen Platz. So etwas gibt es nicht.«
»Ich bin ein Rindvieh«, erklärte ich mit Überzeugung. »Ich bin ein riesengroßes Rindvieh.«
»Dass du das auch schon merkst«, griente er. »Aber willst du mir nicht sagen, welcher Umstand dir diese Erkenntnis vermittelt hat?«
»Ich habe mich grausam anführen lassen«, sagte ich und erzählte es ihm.
»Dann würde ich dir raten, im Eiltempo hinzufahren und dich der kleinen Krabbe zu versichern. Wie ich sie taxiere, sitzt sie vergnügt in ihrer Wohnung und lacht sich eins ins Fäustchen.«
Diesen Rat befolgte ich auf der Stelle.
***
Ausnahmsweise hatte Neville sich getäuscht. Als ich in der 92. Straße East Nummer 212 ankam und an Grace Bosserts Appartement klingelte meldete sich niemand. Ich fuhr wieder hinunter und holte den Hausverwalter aus seiner Wohnung.
»Miss Bossert hat heute Vormittag ihre Wohnung ganz plötzlich aufgegeben und ist abgereist. Sie sagte mir, ihre Erbtante in Los Angeles wäre plötzlich gestorben, und sie würde in Zukunft dort wohnen.«
»Verdammt«, knurrte ich, worauf der Hausverwalter mich ziemlich erstaunt musterte.
Dann schien ihm etwas zu dämmern.
»Ist Ihnen die Kleine ausgekniffen?«, fragte er. »Da haben Sie nicht viel verloren. Sie waren nicht der einzige. Ich könnte Ihnen Dinge erzählen.«
»Dann erzählen Sie bitte«, forderte ich ihn auf und hielt ihm meinen Ausweis unter die Nase.
»Habe ich mir’s doch gedacht«, sagte er kopfschüttelnd. »Die Abreise war mir auch zu plötzlich, und die Geschichte mit der Erbtante in Los Angeles habe ich in meinem langen Leben schon zu oft gehört, als dass ich sie für bare Münze genommen hätte. Sie wird wohl mit dem Affen mit den Bartkoteletten abgehauen sein, der ihre Koffer zum Wagen trug.«
Etwas klingelte in meinem Hirn.
»Wie sah der Mann aus?«
»Wie ein Südstaatler. Er war geschniegelt und gebügelt, ziemlich jung und fesch.«
»Er hatte eine bräunliche Hautfarbe, mandelförmige Augen, eine gerade Nase und einen Mund mit sehr roten Lippen. Trug er vielleicht auch einen hellen Trenchcoat und hellbraunen Hut?«
»Es stimmt, es stimmt«, freute sich der Hauswart. »Jetzt erinnere ich mich wieder. Sie scheinen den Burschen zu kennen.«
»Und ob ich ihn kenne«, sagte ich wütend. »Wie lange ist es her, dass die beiden abrückten?«
»Warten Sie mal. Jetzt ist es gleich drei Uhr… Er fuhr kurz nach neun hier vor, und eine Stunde später hauten sie ab. Es sind also genau fünf Stunden.«
Ohne dass ich mir Hoffnung machte, etwas zu finden, ließ ich mir das geräumte Appartement zeigen. Es war vollkommen leer, die Schränke, die Schubladen und der-Toilettentisch waren ausgeräumt. Grace Bossert hatte nichts, aber auch gar nichts zurückgelassen.
Hätte ich sofort am Morgen geschaltet oder bei Hayber darauf gedrungen, dass er mir die Filme sofort entwickelte, so hätte ich das Gangsterpärchen noch erwischt… Nun waren sie mir durch die Lappen gegangen. Es würde nicht leicht sein, sie aufzustöbern.
Trotzdem sah ich
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