0209 - Die Gruft mit dem Höllenauge
gekommen.«
»Aber wir können nicht überall zur gleichen Zeit sein.«
Da hatte mein Freund ein wahres Wort gesprochen. Ich dachte darüber nach, ob es jetzt schon Sinn hatte, zum Friedhof zu gehen und dort auf den Alp zu warten. Daß er unterwegs war, hatten wir deutlich genug gesehen.
Suko war auch dafür, unser eigentliches Ziel jetzt schon aufzusuchen.
Ich hatte keine Widersprüche. Trotzdem machten wir noch eine Runde durch das Dorf.
Es gab drei Gasthäuser. Wir passierten alle und schauten auch durch die Fenster in die Schankräume hinein.
Leer sahen wir sie. Kaum einer hatte noch Lust, sich vollaufen zu lassen.
In Maghel war es ruhig. Es schien mir so, als hielten die Bewohner den Atem an. Jeder wußte, welche Schrecken auf dem Friedhof geschehen waren, deshalb traute sich niemand aus den Häusern.
Sie blieben zurück.
»Da bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als wirklich nur zu warten«, meinte Suko, wobei er auf einen schmalen Weg deutete. Er führte zum Friedhof.
Wir schlugen ihn ein.
Schon jetzt merkte man die Nähe des Totenackers. Es war so ein typischer Geruch, den eigentlich alle Friedhöfe an sich haben. Da roch es nach Laub, nach verwelkenden Blumen, nach Gräbern, feuchter Erde, Tod und Vergänglichkeit.
Wir hatten vorhin einen Bogen geschlagen und waren um den Ort herumgegangen, so daß wir uns nun dem Friedhof von einer anderen Seite her näherten. Und zwar kamen wir von dort, wo auch die Kirche stand. Hinter ihr begann der Wald. Wir sahen die dicht an dicht stehenden Bäume nur als kompakten Schatten.
Einen plattierten Weg erreichten wir. Er führte zur Kirche hin, traf allerdings davor auf einen Pfad, der uns zum Friedhof brachte. Ihn schlugen wir ein.
Ein schwacher Lichtschimmer geisterte durch die Büsche. Er lag rechts von uns, drang aus keinem Kirchenfenster, sondern von dorther, wo wir das Pfarrhaus vermuteten. Dem Geistlichen hatten wir nicht Bescheid gesagt, wir wollten den Fall allein lösen, wenn es eben möglich war.
Wir bemühten uns, so wenig Geräusche wie eben möglich zu machen.
Auch schauten wir uns um, suchten in der Dunkelheit die Schwärze des gefährlichen Alps.
Wir sahen nichts.
Schließlich standen wir vor der Friedhofsmauer. Hier hörte auch der Weg auf. Die Mauer war nicht sehr hoch. Es gelang uns, über sie hinwegzuschauen.
Trotz der schlechten Lichtverhältnisse erkannte ich die Zerstörung auf dem Friedhof. Das abgestürzte Segelflugzeug hatte eine regelrechte Schneise in die Büsche geschlagen. Die Trümmer des Flugzeugs lagen verstreut umher.
»Schau dir mal das Tor an«, wisperte Suko.
Ich senkte ein wenig den Blick. Es war wirklich außergewöhnlich. Das Tor bestand aus zwei Hälften. Auf der linken Seite war der Tod in Form des Knöchernen zu sehen, auf der rechten eine Figur, die einen Heiligenschein besaß. Beide reichten sich die Hand.
Es war symbolisch dargestellt. Der Tod und die Auferstehung. Anfang und Ende. Ein wirklich interessantes Bild.
Suko drückte das Tor auf. Es quietschte nicht einmal in den Angeln, so gut war es geölt. Hinter uns schlossen wir es und machten uns auf den Weg zu unserem eigentlichen Ziel.
Um die Gruft mit dem Höllenauge zu erreichen, mußten wir quer über den Friedhof. Unsere Schuhe versanken auf den matschigen Wegen.
Auf den kleinen Gräberfeldern sahen wir die Steine. Manchmal leuchteten oder schimmerten sie geisterhaft fahl, hervorgerufen durch Metalleinschlüsse innerhalb des Gesteins.
Die noch kahlen Bäume zeigten mit ihren Ästen und Zweigen ein gespenstisches Filigran. Sie bildeten über unseren Köpfen ein regelrechtes Netz, dann mußten wir uns nach links halten und erreichten endlich das Gebiet, in dem sich auch die Gruft mit dem Höllenauge befand.
Sofort fiel uns das Leuchten auf.
Zum erstenmal sah ich es, und wir blieben ein paar Schritte vor dem Grabstein stehen.
»Ein Auge!« hauchte Suko. »Verdammt, das ist tatsächlich ein Auge.«
Er hatte sich nicht getäuscht. In der Mitte des Grabsteins befand sich in der Tat ein rotes, glühendes Auge. Und darüber funkelte eine Schrift.
JOHN SINCLAIR Es war schon seltsam, seinen eigenen Namen dort zu lesen. Ich konnte die Gänsehaut nicht unterdrücken, die über meinen Rücken rann. Würde später einmal mein eigener Grabstein ähnlich aussehen?
Das war die große Frage, um die ich mich jetzt nicht kümmern konnte, denn ich wollte das Auge zerstören.
Das Grab lag noch immer offen. Die schwere Steinplatte blieb auch weiterhin
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