0209 - Die Panik kam per Telefon
Dutzend Schlüssel. Jeder schön mit einem Schildchen versehen. ›Schalter eins‹, ›Schalter zwei‹, ›Schließfachwand‹, ›Aktenschrank links‹, ›Aktenschrank rechts‹ - und was steht hier drauf?«
Triumphierend hielt er den kleinen Sicherheitsschlüssel hoch. Ropper zuckte die Achseln.
»Keine Ahnung! Was steht denn drauf?«
»Schlüssel für die Kassette!«, sagte Tom und verdrehte die Augen.
»Nein«, rief Jack und setzte sich. »Das ist doch wohl nicht möglich!«
»Ist aber so«, sagte Tom und schob den Schlüssel in das Schloss der Kassette.
Tatsächlich ließ sich die Kassette öffnen. Den beiden Gangster schien es fast unbegreiflich. Warum versperrte man Geld überhaupt in einer Kassette, wenn man den Schlüssel dafür im nächsten Each herumliegen ließ?
Eine flüchtige Zählung des Geldes ergab, dass es nicht mehr als höchstens fünftausend Dollar sein konnten.
»Immerhin«, sagte Jack. »Fünf sind besser als nichts. Los, komm, Tom, wir wollen uns noch in den Geschäften umsehen!«
Sie packten das Geld in eine mitgenommene Tasche und wollten gerade das Postamt verlassen, als sie draußen auf der Straße die Stimme eines Mannes hörten.
»Billy! Hallo, Billy! Steckst du da drin? Was machst du im Postamt? Zum Teufel, Junge, wenn ich die erwische, dass du krumme Dinge machst, prügle ich die windelweich!«
»In Deckung!«, zischte Jack und warf sich hinter den ersten Schalter.
Tom duckte sich hinter den zweiten.
»Was ist denn jetzt auf einmal los?«, knurrte er. »Ich denke, es ist niemand mehr in der Stadt?«
»Du hörst doch, dass einer da sein muss!«, erwiderte Jack wütend. Er sah Toms Bemerkung als einen persönlichen Vorwurf an, denn schließlich hatte er ja den Abzug des letzten Wagens gemeldet, bevor sie die Aktion gestartet hatten. Und dann war da noch die Sache mit dem Kind gewesen. Er hatte nicht vergessen, wie Tom ihm entgegengetreten war, ihm der doch als Vormann eingesetzt worden war! Giftig blickte er zu Tom hinüber.
Seine rachsüchtigen Gedanken wurden von Tom abgelenkt, als ein Mann in einem sandfarbenen Overall das Postamt betrat und sich neugierig umsah. Natürlich fiel ihm auf, dass die Türen mit Gewalt geöffnet worden waren. Prüfend glitt sein rechter Zeigefinger über die Splitter am Schloss der äußeren Tür.
»Billy!«, rief er wieder. »Wo steckst du denn, Junge? Komm hervor! Wir müssen aus der Stadt raus. Es kann jeden Augenblick ein neues Erdbeben ausbrechen. Los, Junge, wir wollen doch nicht von den einstürzenden Häusern begraben werden! Nun komm doch!«
Die beiden Gangster verhielten sich reglos. Der Mann zögerte. Aber dann wandte er sich doch den Schaltern zu. Seine Schritte hallten laut durch die Stille der leeren Schalterhalle. Die Gangster hörten, wie die Schritte dicht vor den Schaltern zum Stillstand kamen. Sie wagten kaum zu atmen. Ein paar Sekunden verstrichen in absoluter Stille.
Plötzlich aber schwang sich der Mann mit einer flotten Flanke über den Schalter hinweg. Er landete direkt neben Tom. Erschrocken warf sich der Gangster herum. Im selben Augenblick aber krachten auch schon zwei Schüsse so schnell hintereinander, dass sie sich beinahe wie einer anhörten.
Der Mann in dem sandfarbenen Overall warf in einer abrupten Gebärde die Arme auseinander, als wolle er einen Unsichtbaren umarmen. In seinem Gesicht zeichnete sich Verständnislosigkeit ab. Für eine Sekunde stand er reglos in einer unnatürlichen Stellung, dann lief ein deutlich sichtbares Zittern durch seinen Körper, das linke Knie knickte ein und der Mann schlug schwer auf den Boden.
Er fiel quer über Jacks ausgestreckte Beine. Angewidert stieß Jack die schwere Last beiseite. Als er seine Finger von dem Mann zurückzog, waren sie nass und rot. Nun war es nicht mehr die Stille einer leeren Halle, die vor den Schüssen geherrscht hatte. Jetzt war es die Stille des Todes.
***
Baker hockte noch immer an dem zweiten Schreibtisch des Institutes. Seine Haare hingen ihm wirr in die Stirn. Seine feingliedrigen Hände waren in unruhiger Bewegung.
Zugegeben, die Chancen standen besser, soweit er es nur mit einem Gangster zu tun hatte. Aber dieser Mann sah nicht ungefährlich aus. Die Art, wie er immer wieder mit einem beinah sadistischen Grinsen die Schärfe seines Rasiermessers probte-, erweckte in Baker die schlimmsten Befürchtungen.
Baker gab sich keinen Illusionen hin. Er war Wissenschaftler, kein raffinierter Sportler. Auf einen Kampf mit dem Gangster durfte
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