021 - Aufbruch in die 'Neue Welt'
ehrenwerte Kapitaan! Ist mir eine Ehre! Ist mir eine Ehre! Vier Goldstücke und der Prachtbursche von Seemann gehört ihm!«
»Einverstanden!« Der Schwarzhaarige kramte vier Goldstücke aus seiner Lederweste. Der andere zog murrend ab.
Matt drehte sich nach dem Halbnackten auf der anderen Seite des Podestes um. Der stieg eben hinunter in die Menge. Auch ihn hatte sein Besitzer verkauft. Woher kenne ich ihn nur…? Emrocs Wächter schoben Matt der Kante des Podestes entgegen. Er kletterte hinab. Die vier Begleiter des Schwarzhaarigen umringten ihn. Emroc ließ die vier Goldstücke in eine Bronzeschatulle fallen. »Ach ja«, feixte er.
»Vielleicht bindet ihr ihn vorläufig noch ein bisschen fest. Wenigstens so lange, bis ihr ablegt. So ganz konnten wir ihm den Freiheitsdrang noch nicht austreiben.«
Tuman, der Südländer bedachte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick. »Das sagst du jetzt?«
»Legt ihm einfach Fesseln an«, sagte Emroc. »Nicht dass er noch ausbüxt und meine gute Geschäftsbeziehung zum ehrenwerten Kapitaan getrübt wird…«
***
Grauer Dunst hing über den Wellen. Viele der Kutscher, Andronenreiter, Fußgänger und Frekkeuscher-Lenker unten am Kai hatten sich in Decken oder, wer es sich leisten konnte, in Felle gehüllt. Die Schiffe schaukelten an den Pieren. Ein starker Wind blies vom Meer her.
Nuela hatte keinen Blick für all das.
Nicht der unfreundliche Spätherbst beunruhigte sie. Nicht der Winter – sie hasste den Winter -, der wieder einmal allzu früh über die Britanische Küste hereinbrechen würde. Etwas ganz anderes trieb sie um. Seit sechs Monden schon. Mit niemandem hatte sie darüber gesprochen.
Sie blickte hinunter auf die Santanna. Ihre Lippen wurden zu einem farblosen Strich, die markanten Wangenknochen ihres schmalen Gesichts traten noch deutlicher hervor. Das Schiff - wie ein fremdartiges buntes Tier lag es da unten an der Anlegestelle. »Verfluchter Kasten«, zischte Nuela.
Aber nicht um die Santanna zu verfluchen stand sie am Fenster. Das konnte sie auch in einem der anderen Räume der Haremsgemächer. Und das tat die Hauptfrau des Kapitaans auch - mehr als einmal am Tag. Sie stand am Fenster, um den Haupteingang des Hauses zu beobachten. Irgendwann musste Tuman doch aus der Stadt zurückkehren!
»Vielleicht findet er niemanden«, murmelte sie. »Vielleicht gibt es keinen, der verrückt genug ist, auf so eine Fahrt zu gehen…« Hoffnung regte sich in ihr. Sie wandte sich vom Fenster ab und schritt in ihrem großzügigen Schlaf gemach hin und her.
Doch ständig kehrte sie ans Fenster zurück, beobachtete den Eingang, lehnte sich an die Wand, um das Kai besser einsehen zu können. Doch Tuman und seine Seeleute zeigten sich nirgends.
Nuela stieß einen Fluch aus. Sie lief zum Vorhang, der ihren Raum vom Gang trennte, und zog ihn beiseite - wie sie es hasste, dieses Sternenmuster auf dem blauen Stoff. Vorbei an den holzgeschnitzten Defiinen - wie sie die Dinger hasste! - eilte sie den getäfelten Gang entlang.
Raspun - sie musste Raspun sprechen. Vielleicht wusste er, ob ein neuer Steuermann gefunden war oder nicht.
Ein Vorhang wurde beiseite geschoben, eine junge dunkelhäutige Frau trat auf den Gang. Bieena -ein Reiseandenken des Kapitaans von der Westküste Afras.
Nuela blieb stehen. »Hast du nichts zu tun, dass du dich am hellen Tag in deinem Schlafzimmer herumdrückst?!«, fuhr sie die Jüngere an.
Nuela hasste Bieena. Nicht weil sie eine Rivalin war. Niemand unter den anderen sechs Frauen Colombs war klug genug, um ihr den Rang als Hauptfrau streitig zu machen. Sie hasste das schwarze Mädchen, weil sie ein Reiseandenken war. Alles was sie an die Seereisen ihres Mannes erinnerte, hasste Nuela.
»O doch«, sagte Bieena. »Und ob ich zu tun habe.« Sie sagte das mit einem forschen Unterton, den Nuela nicht an ihr kannte.
Nuela runzelte die Stirn. »Und was hast du in deinem Raum zu tun, bei Orguudoo?«
Bieena trat in den Gang hinaus. Der Vorhang fiel hinter ihr zurück. Eine süßliche Duftwolke schlug Nuela entgegen. Sie sah, dass Bieena ihr langes Kraushaar offen trug, und sie sah die Elfenbeinbürste in ihrer Rechten.
»Heute Abend kommt er zu mir.« Sie lächelte triumphierend. Nuela spürte das Blut aus ihrem Gesicht weichen. Und die andere schien es zu sehen, denn ihr Lächeln wurde geradezu selig. »Er war öfter bei mir in letzter Zeit«, fuhr sie fort. »Weißt du was ich glaube? Ich glaube, er wird mich mitnehmen.«
»Pah!« Nuela stampfte mit
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