021 - Die Totenuhr
wohnen«, sagte der, der neben ihm stand.
Lautlos zogen sich die Höllenwesen zurück. Sie setzten ihre Suche nach einem brauchbaren Opfer fort, doch in den meisten Häusern wohnen alte, gebrechliche Leute, die sich für die Totenuhr nicht eigneten.
Am Ende der düsteren Gasse angelangt, entdeckten die unheimlichen Geschöpfe hundert Meter entfernt eine hell erleuchtete Tankstelle. Nicht das viele Neonlicht zog Magos Schergen an, sondern die Gewißheit, daß sie dort finden würden, wonach sie suchten.
Sie trennten sich. Um nicht aufzufallen, suchte jeder seinen eigenen Weg zur Tankstelle zu finden. In der Waschbox stand ein schwarzer Bentley. Soeben verließ ein vollgetanktes Fahrzeug das Tankstellenareal.
Und das Unheil nahte auf leisen Sohlen.
***
Nick Billington, ein großer, kräftiger Mann, Tankwart von Beruf, ließ das Trinkgeld, das ihm der Autofahrer gegeben hatte, in die Tasche seines Overalls klimpern.
Dann öffnete er die Glastür und betrat das Tankstellengebäude, in dem seine Frau Melissa eine Bestandsaufnahme der angebotenen Artikel machte. Sorgfältig trug sie in einen Vordruck ein, was in letzter Zeit verkauft worden war, was man nachbestellen mußte.
Nick Billington hängte die lederne Geldtasche an einen Haken.
Seine Frau wandte sich inmitten des buntgemischten Warenangebots zu ihm um. Seit vier Jahren waren sie Pächter dieser Tankstelle.
Damals hatten sie geglaubt, viel Geld verdienen zu können, doch das hatte sich sehr bald als Irrtum herausgestellt. Sie hatten keinen guten Platz, und von den wenigen Stammkunden konnte man kaum leben.
Seufzend fuhr sich Melissa Billington durch das kupferrote Haar.
»Willst du wissen, wie’s aussieht, Nick?«
»Ich nehme an, nicht besonders.«
»Du sagst es.«
»Ich wüßte, wie sich ein paar Pfund mehr verdienen lassen würden, aber davon willst du ja nichts wissen.«
Melissa Billington zog ärgerlich die Augenbrauen zusammen.
»Ich bitte dich, fang nicht schon wieder damit an.«
»Du tust fast so, als hätte ich vor, ein Verbrechen zu verüben.«
»Es ist ein Verbrechen – gegen die Moral«, behauptete Melissa Billington.
»Bobby Moss, Hank Fogarty, Ernie Miller – sie alle haben diese Sex-Kassetten und -Zeitschriften im Angebot, wie du weißt, und sie verdienen damit nicht schlecht.«
»Was andere tun, interessiert mich nicht, Nick. Unsere Tankstelle bleibt sauber. Lieber laufe ich mit Löchern in den Schuhsohlen herum, als unseren Kunden diesen Schmutz anzubieten.«
»Mein Gott, was ist denn schon dabei? Es ist nicht verboten, dieses Zeug zu verkaufen, Melissa.«
Die Frau schüttelte energisch den Kopf. »Ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Ich würde mich in Grund und Boden schämen, wenn ich einem unserer Stammkunden so etwas verkaufen müßte.«
»Damit hättest du doch gar nichts zu tun«, sagte Nick Billington.
»Hier kämen zwei Selbstbedienungsständer herein, und damit hätte sich’s.«
»Und dann die anzüglichen Blicke der Leute und ihre zotigen Bemerkungen: ›Haben Sie das auch schon mal mit Ihrem Mann probiert, Mrs. Billington‹ – ›Spielen Sie sich daheim auch mal eine Kassette vor, um sich in Stimmung zu bringen? Da wäre ich gern mal dabei.‹ Nein, Nick. Das haben wir nicht nötig. Komm mir bitte nicht wieder damit, daß die Gewinnspanne beim Treibstoff lächerlich gering ist. Das weiß ich. Dennoch weigere ich mich, unseren Kunden dieses schmutzige Zeug anzubieten.«
»Weißt du, was mein Vater immer sagte? Geld stinkt nicht.«
»Ich finde, er hat nicht recht. Es gibt sehr wohl Geld, das stinkt. Man braucht aber die richtige Nase, um es riechen zu können.«
Nick Billington winkte ab. »Na schön, dann wird eben nichts aus dem Renner, der unseren Umsatz heben würde.« Er trat auf sie zu und küßte sie.
»Nick«, sagte sie ungehalten. »Doch nicht hier. Wir stehen doch hier im Schaufenster.«
»Ach was.«
»Was sollen sich denn die Leute denken?«
»Daß wir verliebt sind. Gibt es etwas Schöneres?«
»Alles zu seiner Zeit und am rechten Ort«, sagte Melissa.
Nick Billington grinste. »Mein Gott, in was für einen Morast wäre ich schon versunken, wenn ich dich Tugendwächterin nicht an meiner Seite hätte, die auf mich aufpaßt. Okay, keine Sex-Angebote in unserer Autothek. Ich möchte schließlich nicht, daß du mit deinem Gewissen in Konflikt kommst.«
»Das ist sehr rücksichtsvoll von dir.«
»Was tut ein Mann nicht alles für die Frau, die er liebt.« Er wollte sie noch
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