0210 - »Gorillas« zähmt man mit »Kanonen«
Entsetzen oder Mitleid zu lesen. Auch nicht in den Augen von Yvonne Boos.
Der Boss knurrte: »Seht ihn euch genau an und prägt euch das Bild ein! Das wird euch von Dummheiten abhalten!«
***
Der Boss hieß Steven Brandley.
»Ich habe Charles immer misstraut«, knarrte er, und seine haarige Pranke umklammerte das Whiskyglas, als wolle er es zerdrücken. »Ich misstraue jedem.« Seine dunklen Augen hefteten sich auf mich, und ich fragte mich, ob meine Freundschaft wirklich dick mit ihm werden würde.
»Mir doch nicht«, flötete Yvonne.
»Dir auch.«
»Ichhabe mich nicht auf Charles Seite geschlagen«, keifte sie.
»Weil du zu gerissen bist«, antwortete er ungerührt. »Du wusstest, dass er keine Chance hatte. Hätten 51 Prozent der Aussichten auf Gewinn bei ihm gelegen, so hättest du dich ihm an den Hals geworfen.«
Yvonne funkelte ihn aus bösen Augen an. Früher hatte sie fast wie eine Dame ausgesehen, aber seit heute Nacht wusste ich, dass sie eine Hexe war, vor der man sich mächtig in Acht nehmen musste.
Sie war Steven Brandleys Freundin seit einem halben Dutzend Jahre. Natürlich liebte sie den schweren, hässlichen Mann nicht, aber sein Reichtum und seine Macht zogen sie an.
Der Chef der Zentrale benutzte sie zur Überwachung seines Sekretärs, Charles Stunt. Anscheinend spielte Yvonne von Anfang an mit dem Gedanken, einen anderen Mann, den sie leichter beherrschen konnte als Steven Brandley, zum Chef der Zentrale zu machen, nur war sie zu vorsichtig, sich festzulegen.
Charles Stuntglaubte sich schließlich mächtig genug, um Brandley kaltzustellen. Die Leibgardisten von Stan Farmer bis zu Glen Wendy hatten sich daran gewöhnt, Befehle von ihm entgegenzunehmen, denn Brandley kam selten von der Jacht, die draußen in der Bucht schwamm und auf der er hauste, an Land. Er schien sich kaum noch um seinen Statthalter zu kümmern.
Charles Stunts Pläne zum Regierungswechsel innerhalb der Zentrale waren fertig, als ich auftauchte. Ich passte ihm nicht in den Kram. Er versuchte aus diesem Grund, mich kurz abzufertigen. Yvonne mischte sich ein, und Stunts Furcht vor Brandley war noch groß genug. Gleichzeitig keimte in ihm der Verdacht, dass ich in Wahrheit Brandleys Mann sein könnte. Der Verdacht schien zur Gewissheit geworden zu sein, als Yvonne den ganzen Tag über mit mir zusammen war. Vielleicht auch quälte ihn einfach die Eifersucht.
Yvonne war, als sie mich im Hotel abgesetzt hatte, noch einmal zur Villa zurückgekommen. Gewöhnlich ließ sie sich von dort aus zu Brandleys Jacht übersetzen, aber nicht selten blieb sie auch in der Villa.
An diesem Abend hatte Stunt die Frau gestellt. Er wollte, dass Yvonne den Chef Brandley durch einen Telefonanruf an Land lockte. Yvonne hatte sich geweigert. Es war zu einem heftigen Streit gekommen, in dessen Verlauf Charles Stunt die Frau misshandelte. Yvonne hatte ihm gedroht, und um ihn einzuschüchtern, hatte sie behauptet, ich sei Brandleys Mann. Stunt glaubte ihr. Er war mit seinen Leuten zum Hotel gefahren, um mich unschädlich zu machen, bevor er sich endgültig mit seinem Chef anlegte. Alles schien nach seinen Wünschen abzulaufen. Nur eine Kleinigkeit hatte er übersehen, und die Größe von Steven Brandleys Misstrauen hatte er unterschätzt.
Zwischen Brandley und Yvonne war vor zwei Wochen vereinbart worden, dass die Frau den Zentralen-Chef jeden Abend zu einer bestimmten Zeit anrief. Der Anruf war ausgeblieben, und Steven Brandley hatte nicht eine Sekunde lang gezögert, in die Villa zu kommen und mit der Pistole in der Hand Ordnung zu schaffen.
Das alles erfuhr ich noch in dieser Nacht, in der einiges an Whisky getrunken wurde.
Als die Sonne hinter den Inseln der Bucht aus dem Meer zu steigen begann, stand Steven Brandley mit einem Ruck aus dem Sessel auf. Er mochte eine viertel Gallone Whisky getrunken haben, aber er schwankte nicht einmal.
»Das Geschäft mit deinen falschen Dollar läuft noch«, sagte er unvermittelt. »Mal sehen, ob etwas dabei herauskommt.« Er reckte sich, breitete die kurzen, kräftigen Arme aus, als wolle er Freiübungen machen.
»Geld macht mir nicht mehr viel Spaß. Im Grunde ist es nicht mehr als Papier, aber bei Gold weißt du wenigstens, was du hast.«
»Aber schlecht zü transportieren. Eine Million Dollar wiegen eine Tonne, wenn du sie in Gold mit dir herumschleppen willst.«
In seinem Gesicht erschien ein Ausdruck von Verachtung.
»Du bist genauso ein Holzkopf wie alle anderen«, röhrte er. »Du kannst dir
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