0211 - Das Geistergrab
vernahm er die schrecklichen Laute. Stefan Franke hatte sie ausgestoßen. Er konnte den unheimlichen Klauen nicht mehr entkommen. Sie hielten ihn umfaßt und waren auch so kräftig, daß sie den menschlichen Körper in die Tiefe hinabzogen. Stefan Franke war schon so weit verschwunden, daß nur noch sein Kopf hervorschaute.
Dabei lag eine Knochenhand auf seinem Haar. Sie drückte gegen den Kopf und preßte ihn tiefer, hinein in die feuchte Graberde, aus der es kein Entrinnen mehr gab.
Verdreht waren die Augen seines Freundes. Dieter wußte überhaupt nicht, ob sein Kamerad noch lebte, als er den letzten Druck bekam und ihn das Grab wie ein gefährlicher Sumpf schluckte.
Da war es mit Dieter Hovens Beherrschung vorbei. Er schrie, schluchzte und weinte in einem. Und in seinem Rücken hatten die Spinnen erkannt, daß sich ein neues Opfer auf dem Friedhof befand.
Sie näherten sich in ihrer tödlichen Formation…
***
Wir hatten etwa die Hälfte des Weges hinter uns gebracht, als wir die Schreie vernahmen.
Allerdings waren es keine direkten Schreie der Angst und Panik, sondern mehr ein Schluchzen. Aber es klang vom Friedhof herüber, wo sich ein Drama abspielen mußte.
Wir verdoppelten unsere Anstrengungen, sprangen über Sträucher und hohe Grasbüschel hinweg, und ich spürte wieder die Schmerzen in meinem verletzten Fuß. Ich biß die Zähne zusammen, so daß ich mit Suko und Don Frazer Schritt halten konnte.
Will Mallmann war ein .wenig zurückgeblieben. Vielleicht machte ihm auch noch seine Beinwunde zu schaffen.
Dann erreichten wir den Friedhof, der in ein türkisfarbenes, geisterhaftes Licht getaucht war, das uns vorhin wie ein blauer Schein vorgekommen war.
Es war schrecklich!
Ganz am Ende des Totenackers stand vor einem Grab ein Mann in Uniform. Der Soldat starrte auf den Boden, schrie und weinte zur gleichen Zeit. Er mußte Schreckliches gesehen und erlitten haben, daß er so reagierte.
Wir zögerten keine Sekunde länger. Zusammen mit Suko rannte ich vor, während Don Frazer mit Will Mallmann ein wenig zurückblieb. Den Amerikaner hielt eine gewisse Scheu von dem Friedhof fern. Er hatte das Grauen bereits einmal hinter sich.
Suko und ich tauchten ebenfalls in den geheimnisvollen türkisfarbenen Schein, wurden wie aus einer Glocke damit Übergossen und sprangen mit gewaltigen Sätzen über Gräber und Kreuze, um so schnell wie möglich den Mann zu erreichen.
Suko rannte einen Schritt vor mir. Er packte den Soldat an beiden Schultern und schleuderte ihn herum. Erst einmal fort aus der unmittelbaren Zone des Grabs.
Der Soldat war kaum zu beruhigen. Als wir auf ihn einsprachen, schüttelte er den Kopf. Dabei zuckte sein linker Arm vor. Er deutete immer wieder auf das Grab.
Dort mußte sich etwas Fürchterliches abgespielt haben.
»Was war los?« rief ich.
Endlich hob er den Kopf. Wir schauten uns an. Nur eine Handbreite paßte zwischen meinem und seinem Gesicht. Seine Lippen zitterten, die Wangenmuskeln zuckten, und die stockenden Worte, die über seine Lippen flossen, waren kaum zu verstehen.
»Ich ... ich… kann es nicht mehr aushalten!« hauchte er. »Stefan, er ist verschwunden.
»Wo?«
»Im Grab!«
Suko und ich schauten uns an. Mein Freund blickte gegen die aufgewühlte Erde, auf der wie verloren wirkend eine Spinne hockte.
Und dort unter der Erde sollte jemand stecken?
»Wie ist es geschehen?« wollte ich wissen.
»Wir sahen das Licht, liefen hin, und das Licht drang aus dem Grab. Als wir hier standen, da erschienen plötzlich Knochenhände, sie zogen Stefan ...« Er brach ab, weil seine Stimme erstickte.
Kalt lief es mir über den Rücken. Ich konnte mir vorstellen, was dieser Soldat hinter sich hatte. Für ihn mußte es das absolute Grauen gewesen sein.
Die Skelette befanden sich also dort.
Und die Spinnen.
Ich hörte plötzlich das Rascheln und Schaben hinter mir. Ein Geräusch, das ich gut kannte. Ich drehte mich um und sah die gefährliche Masse der Leiber.
Sie strömten auf uns zu. Ein unheimlicher Wirrwarr übereinander fallender und krabbelnder Leiber, die wieder ihre Opfer gesehen hatten und bereit waren, sie zu töten.
Nachschub für die Leichenstadt.
Suko zog seine Dämonenpeitsche. Ich wußte, daß er versuchen wollte, mit ihrer Hilfe die Spinnen zu töten.
»Bring du ihn in Sicherheit!« rief er mir zu, wobei er gleichzeitig einen Kreis über den Boden schlug, so daß die drei Riemen der Peitsche aus der Öffnung rutschen konnten.
Ich trug keine so wirksame
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