0211 - Die Nacht in der Schreckensburg
Fernsprecher an. Der hatte sich auf Bereitschaft geschaltet!
Magie! durchfuhr es sie. Ihre Vampir-Magie hatte dafür gesorgt, hatte die Technik beeinflußt. Sofort begann sie zu wählen, um die Gelegenheit nicht verstreichen zu lassen. Noch während sie wählte, fühlte sie irgendwie, daß die Mechanik des Telefons sich wieder sperren wollte. Diesmal konzentrierte sie sich bewußt darauf.
Und es gelang ihr. Ihre magische Kraft manipulierte das Gerät auch weiterhin.
Sie wartete, während die Verbindung nach Frankreich durchgeschaltet wurde. Endlich, nach längerer Pause, kam das Freizeichen. Tanja hatte Glück gehabt. Zu dieser frühen Morgenstunde waren die Leitungen noch nicht überlastet.
Es klickte, dann ertönte eine wohltuende Stimme. »Château Montagne, Bois.«
»Wer bitte?« fragte Tanja überrascht. »Ist da nicht Zamorra?«
»Oh, Verzeihung«, kam es zurück. »Professor Zamorra hält sich gegenwärtig in Paris auf. Ich bin der Diener. Was kann ich für Sie tun, Madame…?«
»Semjonowa«, stellte sie sich nachträglich vor. »Tanja Semjonowa.«
»Oh, die Vampir-Lady«, erkannte Raffael Bois.
»Ich sitze in der Klemme«, sagte Tanja. Sie fühlte, daß sie die Sperre des Telefons nicht mehr lange offenhalten konnte. Ihre Kräfte ließen rapide nach. Es gehörte normalerweise nicht zur Vampir-Magie, Telefone zu manipulieren. Entsprechend hoch war der Verschleiß ihrer magischen Kraft.
»Zamorra muß mir helfen«, sagte sie hastig. »Hier entsteht eine entsetzliche Gefahr… für die Menschheit und für mich! Er muß sofort hierher kommen, nach Scardroy Lodge! Können Sie ihn erreichen und ihn darum bitten?«
Raffael mußte es können! Für ein zweites Telefonat reichte Tanjas Kraft nicht.
»Ich kann versuchen, ihn in seinem Hotel in Paris zu erreichen«, versprach Raffael. »Wo genau befinden Sie sich, wie sind Sie zu erreichen?«
Tanja beschrieb ihm hastig, wohin es sie verschlagen hatte und ließ auch die Burg nicht unerwähnt, die oben über dem Dorf lauerte und von der der Ruf ausgegangen war.
»Ich tue, was ich kann, Mademoiselle Semjonowa«, versprach Raffael. »Ich schätze, daß Professor Zamorra im Laufe des Abends eintreffen wird, wenn er eine günstige Flugverbindung bekommt.«
»Er muß«, stieß Tanja hervor. »Ich weiß nicht, ob es nicht morgen bereits alles zu spät ist…« Sie entsann sich an die unheimliche Macht, die ihre Krallen nach ihr ausgestreckt hatte, sie zum Flug hierher gezwungen hatte. Sie würde dieser Macht in der nächsten Nacht keinen Widerstand mehr entgegensetzen können. Denn selbst so hatte die Macht schon gereicht, sie zum Herkommen zu zwingen.
»Sagen Sie Zamorra… Sanguinus erwacht…«
Da brach die Verbindung zusammen.
Tanja taumelte. Etwas Dunkles dehnte sich hinter ihrer Stirn aus. Erschöpfung. Sie hatte zu viel Energien aufwenden müssen, das Telefonat aufrecht zu erhalten.
Sie hängte den Hörer ein und taumelte nach draußen. Irgendwo erschollen die aufgeregten Stimmen von Menschen.
Sie suchten nach ihr.
Tanja verschwand wieder zwischen Büschen und Sträuchern. Sie konnte nicht im Dorf bleiben, mußte irgendwo außerhalb auf Zamorras Ankunft warten.
Hoffentlich kam er…
Denn die kommende Nacht würde schlimmer werden als die vergangene. Tanja wußte es, und sie hoffte, daß sie den Tag nutzen konnte, sich von der Anstrengung zu erholen. Die Dorfbewohner durften sie nicht entdecken…
***
»Sanguinus?« murmelte Zamorra nachdenklich. »Das klingt vertrackt nach Blut.«
»Lateinisch, nicht?« fragte Nicole und schlug die in weißen Stiefeln endenden langen Beine übereinander. »Was wirst du tun?«
»Frühstücken«, sagte Zamorra. »Und zwar recht ausgiebig. Mindestens zwei Liter Kaffee müssen dabei sein, weil der Kaffee in England nicht schmeckt. Wir haben also heute früh die letzte Gelegenheit.«
»Wann fliegen wir?« fragte Nicole. »Am besten direkt nach Edinburgh oder so, nicht?«
»Wir fliegen so bald wie möglich«, sagte Zamorra. »Sobald wir das opulente Frühstück und die mindestens zwei Liter Kaffee niedergemacht haben. Die schnellste Verbindung, die es gibt, werden wir nehmen. Tanja, die Vampir-Lady… ich schätze sie als eine Frau ein, die sich durchaus selbst zu helfen weiß. Wenn sie um Hilfe ruft, dann ist es wirklich haarig.«
Es war schon einige Zeit her, daß sie miteinander zu tun gehabt hatten. Die ehemalige KGB-Agentin hatte das Wunder zustandebekommen, sich von einer Vampirin zum Mensch
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