0211 - Die Nacht in der Schreckensburg

Kopf.
    »Nein«, sagte er. »Aber ich wäre dankbar, wenn Sie mir etwas mehr darüber erzählen würden.«
    Art hielt Zamorra den Eichenpflock gegen den Rücken. »Erst erzählst du mal, wer ihr zwei eigentlich seid und was ihr hier wollt«, knurrte er. »Sonst könnte es sein, daß…«
    Er ließ den Rest unausgesprochen, aber der Pfahl in Zamorras Rücken sagte genug. Und Art wirkte kräftig genug, daß er den zugespitzten Pfahl auch ohne Hammer in Zamorras Rücken treiben konnte.
    »Ich bin so etwas wie ein Dämonenjäger«, sagte Zamorra. »Ich bin gekommen, weil man mich rief. Hier gehen böse Dinge vor. Sanguinus erwacht. Ich…«
    »Wer hat dich gerufen?« wollte Art wissen.
    Zamorra sah den Wirt an. »Wie ist das mit unseren Bieren? Bekommen wir die heute auch noch mal?«
    Mißmutig schob der Wirt die beiden bereits gefüllten Gläser auf die Theke. Zamorra und Nicole nahmen ein paar kräftige Schlucke.
    »Diese Tanja Semjonowa, die Sie für eine Vampirin halten, rief an und berichtete davon, daß hier ein dämonisches Wesen namens Sanguinus erwacht«, sagte der Meister des Übersinnlichen. »Sie bat um Hilfe, deshalb sind wir hier.«
    »Wir halten sie nicht nur für eine Vampirin, sie ist eine«, fauchte Art. »Andrew Gilling und seine Frau haben gesehen, wie sie sich von einer Fledermaus in eine Frau zurückverwandelte.«
    Zamorra holte tief Luft.
    »Das besagt gar nichts«, sagte er. »Sie kennen dir Vorgeschichte nicht. Tanja war früher eine Vampirin. Aber es ist ihr gelungen, sich aus dem Bann zu befreien. Sie trinkt kein Blut mehr, ist keine Vampirin mehr. Sie hat nur die dazugehörigen magischen Fähigkeiten behalten.«
    Für ein paar Sekunden trat Schweigen ein. Zamorra nutzte die Pause, noch einen kräftigen Schluck des goldbraunen Getränks zu nehmen, das besser schmeckte, als er erwartet hatte.
    Der Wirt holte die Flinte jetzt wieder hervor.
    »Ich will Ihnen mal was sagen, Fremder«, sagte er. »Es ist ein Trick. Wie Sie schon sagten: das besagt gar nichts! Auch nicht, daß Sie Silber tragen und das Kruzifix berühren konnten. Es gibt hier auch Vampire, die das Sonnenlicht nicht scheuen. Sie sind gefeit worden, bevor man Sie zu uns schickte, um uns hereinzulegen! Art!«
    Im gleichen Moment stieß Art mit aller Kraft zu.
    ***
    Die Sonne berührte die Spitzen der Berge und begann dahinter zu versinken. Der Himmel brannte in lohendem Rot, und von Osten zogen die grauen Schleier der Nacht heran. Durch die Täler kroch der Nebel.
    Draußen, irgendwo in einem Versteck vor dem Dorf, begann eine junge Frau zu frieren. Zamorra hatte sie verfehlt, war an ihr vorbeigefahren, ehe sie ihn auf sich aufmerksam machen konnte. Und nun kam er nicht aus dem Dorf zurück.
    Sie rief mit ihren Gedanken nach ihm, aber er hörte sie nicht. Es gab keine Antwort.
    Aber drüben auf dem Berg begann die Blutburg wieder zu erwachen. Von dort kam das leise Flüstern, das bald stärker werden würde, anschwellen würde zum machtvollen Ruf, der Tanja zwingen würde, zur Burg zu kommen.
    Dorthin, wo Sanguinus wartete, um sie zu töten…
    Tanja Semjonowa erschauerte. Sie wußte, daß sie dem Ruf nicht mehr lange Widerstand entgegensetzen konnte. Etwas mußte geschehen. Sie mußte handeln, mit oder ohne Zamorras Hilfe.
    Und sie verließ ihr Versteck nahe der Straße.
    Da griff ein fremder Geist mit aller Macht nach ihr.
    ***
    Zamorra hatte durch sein Sprechen die Hauptaufmerksamkeit aller auf sich gezogen. Auf Nicole achteten sie weniger. Das war ihre Chance, als sich die Lage blitzartig zuspitzte.
    In dem Moment, in dem Art mit aller Wucht gegen das stumpfe Ende des Pfahls schlug, um ihn Zamorra ins Herz zu treiben, trat Nicole zu. Art krümmte sich verzweifelt stöhnend zusammen und stürzte zur Seite. Gleichzeitig schleuderte Nicole den Inhalt des Bierglases dem Wirt ins Gesicht.
    Zamorra reagierte ebenso schnell. Er ließ die Arme kreisen wie Windmühlenflügel und streckte zwei andere Männer auf die Bretter. Der vierte, Stan, sprang Nicole an. Sie rammte ihm den Ellenbogen in die Rippen, griff nach seinem Arm und praktizierte den klassischen Schulterwurf.
    »Weg hier! Schnell!« keuchte sie.
    Zamorra handelte bereits. Er riß dem Wirt das Gewehr aus der Hand, so lange der sich noch das Bier aus den brennenden Augen wischte, und schmetterte es mit Wucht auf die Thekenkante. Es zerbrach. Da war Nicole schon an der Tür.
    Zamorra spielte Rakete, jagte an ihr vorbei und riß sie mit sich. Draußen vor der Tür stand der Range