0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder
ausgerechnet heute?
Er fuhr aus seinen Gedanken auf, als er das Motorengeräusch eines Autos hörte. Im selben Augenblick fuhr auch schon ein staubbedeckter Jeep in den Hof. Der Wagen sah aus, als ob er gerade einen Unfall hinter sich hätte. Das vordere Rad auf der linken Seite fuhr ohne Luft auf den Felgen. Der Kotflügel war eingedrückt. Auch in der Kühlerhaube war eine große Beule.
Hillery Martens lief die paar Stufen der Veranda hinab und auf den Wagen zu. Micky Maloone saß am Steuer.
Aber es war ein Maloone, den Martens kaum erkannte. Das Gesicht war blutüberströmt. Die kurzgeschnittenen grauen Haare waren blutverkrustet. Die ganze linke Gesichtshälfte war mit Schrammen, getrocknetem Blut und Schmutz bedeckt.
»Um Gottes willen, Micky!« rief Martens erschrocken aus. »Was ist denn mit dir los? Komm ins Haus, ich rufe Ruskow an. Vor ein paar Minuten war er noch hier. Komm mit ins Haus, hier draußen kriegst du ja einen Sonnenstich. Warte, ich helfe dir.«
Martens trat an den Wagen heran. Maloone erhob sich mit seltsam unsicheren Bewegungen, weil er aussteigen wollte. Aber plötzlich kippte er vornüber und wäre zu Boden gestürzt, wenn Martens ihn nicht gehalten hätte. Ächzend schleppte der Farmer den Verwundeten hinüber zum Haus. Maloone merkte nichts mehr davon. Er war bewußtlos.
Er kam auch nicht wieder zu sich. Nach einer Stunde und zehn Minuten starb er, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Der erste mysteriöse Todesfall in dieser ganzen verzwickten Geschichte war eingetreten…
***
Die Polizeistation in Milborne bestand aus einem einzigen kleinen Office, dessen hintere Wand von einem hohen Gitter gebildet wurde. Es gab den Blick frei in die Zelle, in der Milborne seine Betrunkenen für eine Nacht zur Ausnüchterung einsperrte. Größere Fische hatten noch nie darin genächtigt.
Vorn im Office saß der Mann, der hier für Ruhe und Ordnung zu sorgen hatte. Er mochte an die vierzig Jahre alt sein, trug einen martialischen Schnauzbart, dessen Enden rechts und links vom Mund herabhingen, hatte dicke, buschige Augenbrauen in dem sonnengebräunten Antlitz. Als wir eintraten, sah er flüchtig von seinem Schreibtisch hoch, wo er sich gerade mit dem Abpellen eines gekochten Eies beschäftigte.
»Setzen Sie sich«, sagte er in stoischer Ruhe. »Ich bin gleich fertig.«
Wir nahmen auf zwei harten Stühlen Platz und beobachteten ihn in stiller Heiterkeit. Als das Ei endlich ohne Hülle vor ihm auf dem Butterbrotpapier lag, streute er mit den Fingerspitzen Salz darüber, biß ein tüchtiges Stück von einem Kanten Schwarzbrot ab und schob das Ei auf einmal in den Mund. Die Enden seines dicken Bartes gerieten in Bewegung, als er anfing zu kauen. In erstaunlich kurzer Zeit hatte er Ei und Brot vertilgt, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und spülte die letzten Reste seiner Mahlzeit mit einem Schluck Brandy hinab. Er putzte sein Taschenmesser am Papier ab, klappte es zusammen und steckte es in die Hosentasche.
»So«, sagte er zufrieden. »Das war das. Nun zu Ihnen. Sie sind hier fremd. Ich bin Bill Mutherfield. Was kann ich für Sie tun, Gentlemen?«
Phil und ich legten ihm unsere Dienstausweise hin. Er studierte sie mit Gründlichkeit. Er vergaß nicht einmal, unsere Paßbilder mit der Wirklichkeit zu vergleichen, bevor er uns die Ausweise zurückgab.
»Sie bringen hoffentlich keine unangenehmen Neuigkeiten«, sagte er. »Wir haben noch nie das FBI hier gehabt. Was ist denn los?«
»Wir suchen Mary Johnson«, erklärte ich. »Das ist eine junge Dame…«
»Dame ist gut«, unterbrach er. »Mit derselben Berechtigung können Sie einen notorischen Zuchthäusler einen Gentleman nennen.«
»Kennen Sie denn die Johnson?« fragte ich verdutzt.
»Natürlich. Sie stammt ja aus Milborne — leider Gottes. Aber zum Glück ist sie nicht mehr hier. Vor ein paar Jahren ging sie nach New York. Wir weinen ihr keine Träne nach.«
»Wir kommen gerade aus New York. Und nach unseren Informationen hat Mary Johnson Manhattan heute früh verlassen, und zwar mit dem Reiseziel Milborne.«
Mutherfield schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Eierschalen in die Höhe sprangen.
»Die fehlt uns gerade noch!« schnaufte er. »Sie soll gefälligst in New York bleiben. Wir legen hier keinen Wert auf ihre Person. Was will sie denn hier?«
»Das möchten wir ja auch wissen«, erwiderte ich. »Haben Sie eine Ahnung, wo wir sie finden könnten, wenn sie wirklich hier sein sollte?«
Er zuckte
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