0215 - Kugeln pfeifen Todeslieder
wieder gestohlen, du elender Kerl? He, heraus mit der Sprache! Woher hattest du das Geld, um das Bier zu bezahlen?«
Liginstones Augen bohrten wie zwei stählerne Spitzen in Petes Seele. Er senkte den Kopf und brummte: »Ich habe nichts gestohlen, Sir. Den Dollar habe ich gefunden. Auf der Straße. Lag unter einem zerknüllten Butterbrotpapier. Muß jemand verloren haben.«
Eine halbe Stunde lang hörte sich Pete alles an. Dann hatte er genug. Er stand auf.
»Tut mir leid, Sir«, sagte er, »ich muß jetzt gehen. Ich habe eine Verabredung, die ich nicht versäumen darf.« Liginstone war so überrascht, daß er tatsächlich den Weg zur Tür freigab. Aber kaum hatte Pete Stagger den Raum verlassen, da lief der Pfarrer schon zur Tür und riß sie auf. So dumm hatte er sich noch nicht angestellt. Statt daß er dem verkommenen Burschen einmal gehörig die Meinung sagte, ließ er sich mit einem derart plumpen Trick übertölpeln! Kopfschüttelnd starrte Liginstone dem Burschen nach.
Pete Stagger lief quer über den Marktplatz und blieb genau vor dem Eingang zum Rathaus an der Bordsteinkante stehen. Er sah ein paarmal hinauf zu der Rathausuhr und dann wieder die Straße hinab, die von Westen her durch die Stadt führte. Schon wollte sich Liginstone umdrehen und zurück in sein Office gehen, als er einen schweren schwarzen Wagen langsam die Straße herunterkommen sah.
Pete Stagger winkte. Der Wagen hielt an, eine Tür ging auf, und Stagger beugte sich vor, um mit den Insassen des großen Autos zu sprechen. Gleich darauf stieg er ein.
Liginstone hatte die ganze Szene aus mißtrauisch züsammengekniffenen Augen beobachtet. Pete Stagger hatte eine Verabredung mit Leuten, die sich einen solch teuren Wagen leisten konnten? Hier stimmte doch etwas nicht. Vielleicht hatte sich Pete als Fremdenführer angeboten. Aber für Liginstone stand fest, daß er die Leute bestehlen würde. Er hielt es für seine Pflicht, sie zu warnen. Andererseits konnte er nicht gut fremde Leute ansprechen und ihnen sagen: Es tut mir ja leid, daß ich Sie stören muß, aber wenn Sie irgendwas mit diesem netten Früchtchen hier zu tun haben, dann seien Sie sehr vorsichtig, der Bursche stiehlt wie eine Elster.
Nein, so ging das wirklich nicht. Liginstone runzelte die Stirn und dachte nach. Aber bevor er zu irgendeinem Resultat gekommen war, geschah es plötzlich…
***
Kathy Martens hatte den Löffel mit den vermeintlichen Herztropfen gerade an den Mund geführt, als plötzlich ein dumpfes, unheimliches Grollen in der Luft hing. Sie hielt mitten in ihrer Bewegung inne und lauschte.
Doc Ruskow war aufgesprungen und zum Fenster gelaufen. Während Kathy Martens den Löffel wieder höher hob, um nun endlich die verordneten Herztropfen zu nehmen, bebte plötzlich der Fußboden. Sie wurde so kräftig geschüttelt, daß ihr der Löffel aus der Hand fiel.
Mit einem heiseren Geräusch barst die Fensterscheibe des Küchenfensters, das hinaus auf die Veranda blickte. Von der Decke rieselte Kalk herab, und ein paar kleinere Mörtelstücke stürzten zu Boden.
»Um Gottes willen, Doc, was ist denn das?« rief die Frau erschrocken.
Ruskow zuckte die Achseln, während er zurücksprang, um keine Glassplitter ins Gesicht zu bekommen. Das dumpfe Grollen war jetzt noch lauter geworden und erfüllte auf eine unbeschreibliche Weise die Atmosphäre.
»Ob sie drüben im Steinbruch gesprengt haben?« rief der Arzt.
Kathy Martens hob die Schultern und ließ sie gleich darauf sinken. Es sollte wohl heißen: Ich habe keine Ahnung, Doc.
Ruskow lief hinaus in den Hof. Er stemmte die Fäuste in die Hüften und sah sich nach allen Seiten um. Das Grollen in der Atmosphäre — oder wo es sonst herkommen mochte — war bereits wieder schwächer geworden. Aber noch immer hatte Ruskow das Gefühl, als zittere der Erdboden unter seinen Füßen.
Er hielt nach allen Seiten Ausschau. Aber aus der Richtung, in der der. Steinbruch lag, war nichts Besonderes zu sehen. Wenn sie dort so ungeheuer stark gesprengt hätten, daß noch die Erde davon bebte, hätte doch mindestens eine sichtbare Staubwolke in dieser Richtung emporsteigen müssen.
»He, Doc, was war denn das?« rief eine kräftige Stimme von den Ställen her.
Ruskow drehte sich um. Hillery Martens kam aus dem Stall. Er trug seine' blankgeputzten Reitstiefel, eine schwarze Hose und ein buntes Baumwollhemd, das am Hals offenstand. Langsam kam er näher.
Der Arzt zuckte die Achseln.
»Keine Ahnung, Hillery! So was habe ich
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