0216 - Der Ripper kehrt zurück
Surrender flüsterte ihm wenige Worte zu, und der Mann nickte. »Natürlich, Sir, die Rechnung. Ich werde sie sofort zusammenstellen.«
»Es ist Ihnen doch recht, dass wir das Lokal verlassen?« erkundigte sich Mr. Surrender bei Jane.
Sie nickte. Ihr Gesicht zeigte eine seltene Verkrampfung. Unter dem hauchdünn aufgetragenen Rouge war sie blass geworden. Jane zitterte, denn die letzten beiden Minuten hatten sie zu einem Nervenbündel gemacht. Wenn sie sich vorstellte, dass Ernie Shane jederzeit aus dem Nichts, dem Unsichtbaren, zuschlagen konnte, dann drehte sie fast durch. So etwas hielten auch die stärksten Nerven nicht aus.
Der Ober kam, und Richard Surrender beglich die Rechnung. Er zahlte bar, legte ein gutes Trinkgeld auf die Summe, so dass der Ober noch zwei Verbeugungen mehr machte und wartete, bis Jane ihren Stuhl ein wenig zurückgesetzt hatte.
Sie wollte aufstehen.
Es blieb vorerst dabei. Denn nun griff der Ripper ein. Jane sah ihn nicht, weil sich der Vorgang in ihrem Rücken abspielte. Dafür konnte sie das Gesicht ihres Begleiters beobachten, das sich plötzlich veränderte. Die Augen wurden groß, der Mund zuckte, und im gleichen Augenblick gellten auch schon die ersten Schreie auf.
Da wirbelte Jane Collins herum.
Etwa fünf Schritte vor ihr, direkt hinter dem Eingang, stand Ernie Shane, der Ripper. In der rechten Hand hielt er ein langes, blutbeflecktes Messer. Auf seinem Kopf saß der schwarze Schlapphut. Shane trug die gleiche dunkle Kleidung wie der echte Ripper.
Nur eins war bei ihm anders.
Über seiner linken Schulter lag eine Gestalt. Eine Tote, und der Ripper hatte ihr die Haare abgeschnitten…
***
Von Soho bis Brompton. Das ist ein ziemliches Stück zu fahren. Südlich des Hyde Parks sahen wir zu, dass wir auf die Cromwell Road kamen, und schon befanden wir uns in South Kensington. Natürlich sprachen wir über den Ripper, und beide waren wir davon überzeugt, dass wir es mit Ernie Shane zu tun hatten.
»Wieso?« fragte Suko.
Ich wich zwei Fußgängern aus, die über die Straße gingen, als wäre sie nur für sie da, und hob die Schultern. »Nenne mir einen Grund dafür, dass er es nicht ist.«
»Kann ich nicht.«
»Na bitte.«
Die nächsten Minuten schwiegen wir, denn ich musste mich auf die Fahrerei konzentrieren. So genau kannte ich die Ecke hier auch nicht und atmete erst auf, als ich die große Kreuzung sah, wo die Warwick Road und die Cromwell Road zusammenstießen.
Jetzt mussten wir nach links. Von hier aus war es ein Kinderspiel. Ich brauchte nur auf der Straße zu bleiben, um die Westseite des Friedhofs zu erreichen. Dort befand sich auch das Gebiet, wo man Verbrecher und Gesetzesbrecher begrub.
Plötzlich meinte Suko: »Weißt du, was mir gerade eingefallen ist, John?«
»Nein.«
»Jane Collins.«
Ich grinste schief. »Willst dich von Shao trennen?«
»Quatsch. Ich meine Jane in Verbindung zu dem Ripper.«
Fast hätte ich auf die Bremse getreten. Au, verflucht, das hatte ich vergessen, Natürlich, Jane hatte auch zu dem Personenkreis gehört, der den Ripper jagte. Wenn Shane wirklich zurückgekommen war, auf welche Art und Weise auch immer, dann würde er sich an einigen Leuten rächen wollen.
Und nicht nur an uns, sondern auch an Jane Collins.
»Was machen wir?« fragte Suko.
»Ruf sie an.«
»Soll ich ihr die Wahrheit sagen?«
Ich überlegte hin und her, während wir durch den ländlich anmutenden, vornehmen Stadtteil Kensington fuhren. »Es ist besser, wenn sie Bescheid weiß. Außerdem ist sie kein kleines Kind mehr.«
»Das ist richtig.« Suko hob den Hörer des Autotelefons ab und tippte Janes Nummer ein. Er rechnete damit, dass sich jemand melden würde, das tat nicht einmal der Anrufbeantworter.
»Nichts, John.«
Ich nickte nur. Schwere Gedanken wollte ich mir erst gar nicht machen. Es gab tausend Möglichkeiten, weshalb Jane nicht abgehoben hatte. Sie konnte beruflich unterwegs sein oder war mit jemandem ausgegangen, da gab es einiges, was man als Gründe aufzählen konnte. Nur blieb bei mir das dumpfe Gefühl, und es drückte gegen meinen Magen.
Vorerst kamen wir nicht dazu, uns Sorgen um Jane Collins zu machen, denn wir hatten unser erstes Ziel, den Brompton Cemetery, erreicht.
Wir parkten den Bentley an der U-Bahn-Station West Brompton, stiegen aus und konnten in der Ferne die Lichter des Western Hospitals sehen.
Unser Ziel war die Friedhofsverwaltung, und die lag ganz in der Nähe. Zwar wurde nicht mehr gearbeitet, doch ich hatte
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