0217 - Die Hexeninsel
noch schneller. Auf die Straße stellen und versuchen, den Wagen anzuhalten, das klappte nicht mehr. So viel Zeit hatte ich nicht. Zudem befand sich die verdammte Hexe bereits dicht am Hintereingang des Ambulanzwagens, sie brauchte nur noch einzusteigen.
Der Schrei löste sich wie von selbst aus meiner Kehle. Ich hoffte, daß er auch gehört wurde.
Ja, sie hörte ihn. Die Hexe stoppte, duckte sich und kreiselte auf der Stelle herum.
Wo sie stand, waberten noch keine Flammen. Mein Blick war ziemlich klar, sie sah mich, ich sah sie. Hinter mir wimmerten Reifen über den Asphalt. Der Fahrer hatte gebremst, als er das Feuer entdeckte. Warum fuhr er nicht weiter? Er konnte doch nichts tun.
Die Hexe duckte sich, als hätte sie einen Schlag erhalten. Dann schnellte sie in den Wagen.
Den Dolch hielt ich in der rechten Hand. Ich hatte den Arm auch schon nach hinten gedrückt und ausgeholt, jetzt schleuderte ich ihn nach vorn, um das Messer zu werfen. Da war die Hexe verschwunden.
Im letzten Augenblick konnte ich noch zupacken, sonst wäre mir der Dolch aus der Hand gerutscht.
Gleichzeitig hörte ich die Hexen kreischen, drehte mich nach rechts und sah mit Schrecken, daß Wikka inmitten der Feuerwand stand und sie dirigierte.
Diesmal auf mich zu.
Die anderen Hexen und auch Jane Collins entdeckte ich nicht, die tanzenden Flammenzungen nahmen mir die Sicht, aber Wikkas Anblick reichte mir völlig. Noch etwas schoß mir dabei durch den Kopf. Das Feuer tat ihr nichts, es waren also magische Flammen, die mit Magie gelöscht werden konnten. Sollte ich es mit dem Kreuz versuchen?
Ich hörte den Schrei! Er war aus dem Wagen geklungen, und ich konnte mir gut vorstellen, was sich dort abspielte. Dr. Alwin Brenner wurde mit dem Grauen konfrontiert, und die Hexe würde ihn angreifen.
Ich ließ Wikka in Ruhe und enterte mit einem Sprung den Wagen. Das Feuer und die noch immer brennende Notbeleuchtung gaben genügend Licht, um sich orientieren zu können.
Die Hexe hatte den Arzt in eine Ecke gedrängt. Er lag zwischen den Teilen der umgestürzten Regale und zuckte auf und nieder, als hätte sein Körper mehrere Stromstöße erhalten. Die Hexe hatte sich über ihn gebeugt, die Arme ausgestreckt und faßte ihn an. Wahrscheinlich war sie für seine Reaktionen verantwortlich.
In meinem Rücken spürte ich die heiße Welle der Flammen. Sie schienen mir meine Kleidung vom Körper brennen zu wollen, doch darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht mehr nehmen. Der Arzt und auch die Hexe waren wichtiger. Geduckt taumelte ich durch den Laderaum. Taumelnd deshalb, weil ich ununterbrochen über die am Boden liegenden Gegenstände steigen mußte. Sie lagen kreuz und quer, manchmal auch hochkant, so daß sie regelrechte Stolperfallen für meine Füße bildeten.
Ich hätte der Hexe das Kreuz in den Rücken hämmern können, doch ich wollte sie noch reden hören. Mein rechter Arm schnellte vor, die Finger krallten sich in ihre Schulter und klammerten sich fest.
Das heisere Stöhnen des am Boden liegenden Arztes schnitt mir durch Mark und Bein, und es bewies mir, daß ich keine Zeit mehr verlieren durfte, wenn ich noch etwas retten wollte. Wuchtig riß ich die Hexe herum. Als sie sich mit mir auf gleicher Höhe befand und ich ihr verzerrtes Gesicht sah, stieß ich sie von mir, so daß sie mit dem Rücken gegen die Außenwand der Fahrerkabine dröhnte und durchgeschüttelt wurde. Sie hatte den Mund weit aufgerissen, fauchte wie eine wütende Katze, hielt die Arme ausgebreitet und stierte mit verdrehten Augen auf die silberne Dolchspitze, die dicht vor ihrer Kehle zur Ruhe gekommen war. Für sie mußte es das Grauen persönlich sein, denn ich hatte zudem noch mein Kreuz umgehängt, das wesentlich stärkere Dämonen vernichten konnte als sie.
»Rühr dich nicht!« fuhr ich sie an. »Eine dumme Bewegung, und es ist um dich geschehen!«
Sie hatte meine Worte sehr wohl verstanden, denn sie zitterte vor Haß, Furcht und Wut. Den Mann hatte sie nicht töten können, diesmal war ich schneller gewesen, und ich warf einen raschen Blick nach links, wo Dr. Alwin Brenner am Boden lag.
»Können Sie aufstehen?« fragte ich ihn.
»Ja.«
Seine Antwort war kaum zu verstehen. Noch immer sah ich das Blut auf seinem Kopf und seinem Gesicht, aber er hatte sich so weit erholt, daß er mir eventuell zur Seite stehen konnte. Ächzend kam er auf die Füße. Es war eine Qual für ihn, und er mußte sich an der Wand mit den flachen Händen abstützen, um überhaupt
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