0219 - Das Grab im Korallenriff
Rückenflossen der Haie waren verschwunden. Und Fred Pounder war in einen Schlaf gesunken, der ihn mehr einem Toten als einem Lebenden ahnen ließ.
»Goldkrone! Schimmernder roter Stein!« wiederholte Manuelito wie im Traum die Worte, die Fred Pounder noch vor sich hingemurmelt hatte. Was mochten unter ihm für Reichtümer der Entdeckung harren? Das seltsame Gestammel von Schlangenarmen und dem anderen Zeug? Nun, ein Mann, der sich dem aufgerissenen Rachen der Haie gegenübersieht, der kann schon verrückt werden. Vielleicht gab es einen Polyp da unten, der die Schätze vergangener Tage bewachte. Aber sie hatten Waffen. Und sie waren Männer - Männer, die dem Teufel ins Gesicht spuckten.
Ein Krake würde sie nicht davon abhalten, hier im Gold zu wühlen. Denn für Manuelito war klar, daß sich hier unter dem Wasser der Karibik für sie das große Eldorado auftun würde.
Sein Blick überflog die Männer, die sich halblaut unterhielten, während sie die Tauchgeräte fertigmachten. Domingo Sanchez hatte sich am Heck zusammengekauert und beobachtete scheu das Treiben. Wer mochte wissen, welchem Schrecken der Tiefe die Männer da unten begegneten?
»Die Haie haben sich verzogen«, dröhnte Manuelitos Stimme. »Nun, Männer, wollen wir es wagen?« Ein zustimmendes Gebrüll aus allen Kehlen war die Antwort.
»Esteban und Rodriguez bleiben hier!« bestimmte Manuelito. »Alle anderen kommen mit. Es ist sicherer!« sagte er mit doppeldeutigem Grinsen.
»Si, si, Señor! Wegen der Haie!« grinste Damaso und verzog sein Gesicht. Er hatte, wie alle anderen an Bord, seinen Boß recht gut verstanden. Jeder der alles andere als vertrauenserweckenden Gestalten wäre bereit gewesen, für ein Bündel Banknoten seine und die Seelen seiner Genossen dem Satan zu überantworten.
»Dann wollen wir uns fertigmachen… Halt, was ist das?« wies Manuelito in Richtung der Küste. Auf sein ungeduldiges Winken reichte ihm Sanchez ein Fernglas.
»Santa Maria! Der Teufel meint es gut mit uns, Compadres!« rief er, als er hindurchgesehen hatte, und schnalzte mit der Zunge. »Wenn unsere Schatzgräberei beendet ist, erwartet uns eine vorzügliche Überraschung.«
Dann konnten auch die anderen die drei halbnackten Frauengestalten an Bord des Motorbootes erkennen, das Kurs auf sie nahm.
Und bei diesem Anblick hatten diese Hafenratten alle den gleichen Gedanken.
»Benehmt euch harmlos, und spielt die Wissenschaftler!« befahl Manuelito. »Wir müssen die Püppchen erst an Bord haben!«
»Aber dann…«, leckte sich Damaso die Lippen.
»Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!« wies ihn der Puertoricaner schroff zurecht.
***
Michael Ullichs Schrei schien auf unerklärliche Weise sein Nervenzentrum reaktiviert zu haben. Im Fallen ruderte er mit Armen und Beinen um sich und - griff zu.
Der Ruck durch seinen Körper ließ Wellen des Schmerzes aufbranden.
Aber er hatte wieder Kraft. Und er hielt fest.
Ungefähr fünf Meter unter seinen baumelnden Füßen waren die Deckplanken der ULYSSES. Den Bruchteil einer Sekunde später wäre sein Körper unrettbar zerschmettert auf den festen, unnachgiebigen Holzbohlen.
War es die Reaktionsschnelle eines auf das Überleben in ungewöhnlichen Situationen getrimmten Körpers oder ein ganz besonderer Schutzengel, wie ihm von anderer Seite immer versichert wurde, er hatte diese Situation überlebt!
Aber ein befreites Aufstöhnen konnte Zamorra doch nicht unterdrücken, als er einige Augenblicke später wieder feste Planken unter den Füßen verspürte.
»Den Großmast hätten wir!« sagte Michael Ullich, als auch er sich nach einer atemberaubenden Klettertour wieder unten befand. »Jetzt müssen wir noch in den Fockmast. Und auch der Besan-Mast am Heck könnte eine zusätzliche Besegelung vertragen!«
Pfeifend stieß der Parapsychologe die Luft aus, als er an den angesprochenen Masten emporäugte, die an Höhe dem Großmast nicht viel nachstanden. Gerade dem Tod von der Schippe gesprungen, stellte es eine fast unverschämt zu nennende Art dar, das Schicksal wieder herauszufordern.
»Wir müssen rauf - oder der Tod ereilt uns in ein paar Stunden im Orkan!« erinnerte Michael Ullich. Zamorra atmete noch einmal tief durch. Er hatte für diverse Leinwandhelden bisher immer nur ein Lächeln übriggehabt, wenn sie sich von einer Gefahr in die andere stürzten. Und nun? Verlief sein Leben etwa anders? Sicher wäre Errol Flynn lächelnder, Burt Lancaster athletischer und Kabir Bedi furchterregender in die
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