0219 - Lupinas Sohn
Oder hatte man uns mit einem gewaltigen Bluff geleimt? Nein, daran wollten wir nicht glauben. Der Job hatte uns gelehrt, daß gerade das Unmögliche möglich wurde, und warum sollte Lupina keinen Sohn haben? Wenn ja, wer war dann der Vater?
Wir hatten darüber gesprochen, und Suko hatte grinsend gemeint. »Vielleicht du?«
»Wieso ich?«
»Du hast dich schließlich mal in die schöne Werwolfdame verknallt.«
Der Blick, den Suko sich von mir eingefangen hatte, war scharf wie ein Messer gewesen. Er hatte auf den Fall angespielt, der mir noch immer irgendwie nachhing. Ich selbst war mal zu einem Werwolf geworden und hatte sogar um Lupina gekämpft, weil ich sie unbedingt besitzen wollte. Das war vorbei, aber seit diesem Zeitpunkt verfolgte mich die Werwölfin voller Haß.
Suko lehnt sich in seinen Schreibtischstuhl zurück, hielt die Tasse mit Tee in der Hand und schaute mich über ihren Rand hinweg an.
»Glaubst du im Ernst, daß sich Lupina hier in der Gegend herumtreiben wird, um ihren Sohn zu suchen?«
»Bestimmt.«
»Schade, daß diese Clara tot ist. Von ihr hätten wir einiges erfahren können.« Suko spielte damit auf den Unfall an, den die Fahrerin des Jeeps erlitten hatte. Sie war gegen einen Baum gerast und dabei umgekommen.
»Dafür haben wir ihren Mann.«
»Ist er denn vernehmungsfähig?«
Ich hob die Schultern. »Die Kollegen sagen ja. Sobald Shao zurück ist, können wir uns um ihn kümmern.« Wie aufs Stichwort erschien die Chinesin. Das heißt, wir hörten sie nur, wie sie mit Glenda im Vorzimmer sprach.
Suko rief: »Wollt ihr uns hier erfrieren lassen?« Zur Demonstration nieste er.
»Eine Erkältung täte dir mal ganz gut«, rief Shao zurück. »Dann wärst du wenigstens einmal länger zu Hause.«
Suko warf mir einen finsteren Blick zu. »Die fängt schon an wie Sheila.«
Damit meinte er die Frau unseres gemeinsamen Freundes Bill Conolly, die sehr darauf achtgab, daß sich ihr Mann nach seiner Hochzeit nicht mehr in unnötige Gefahr begab. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, daß auch die Conollys immer wieder zu einem Zielpunkt dämonischer Angriffe wurden.
Zwei Tüten trug Shao. Hemden, Hosen, Jacken und frische Unterwäsche waren darin verstaut. Sie packte alles aus, verschwand dann aus dem Büro, das wir zu einer Umkleidekabine umfunktionierten. Handtücher hatte sie ebenfalls mitgebracht. Wir rieben uns notdürftig trocken. Unter eine der zahlreichen Duschen zu steigen, die sich ebenfalls im Yard-Gebäude befanden, blieb uns keine Zeit. Die Vernehmung drängte, und wir wollten diesem Jo kräftig auf den Zahn fühlen. Die Chinesin verschwand auch bald wieder. Unsere nasse Kleidung nahm sie mit.
Glenda brachte frischen Kaffee und Tee. »Braucht ihr mich noch?« erkundigte sie sich.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, du kannst Feierabend machen.«
Ein Telefonanruf genügte, um den Beamten Bescheid zu geben, die Jo hereinführten.
Ich hatte inzwischen seinen vollständigen Namen herausgefunden. Er hieß Jo Mclntire.
Als er zwischen den beiden Kollegen das Büro betrat, wußte ich, daß er eine harte Nuß für uns werden würde. Sein Gesicht zeigte einen verkniffenen Ausdruck. Die grauschwarzen Haare standen wirr vom Kopf, seine Hände waren mit einer stählernen Acht gefesselt, und in den Augen lag ein trotziger, haßerfüllter Ausdruck.
Ich deutete auf den dritten Stuhl. »Setzt ihn dahin.« Die beiden Beamten drückten Jo McIntire nieder und verließen das Büro.
Ich blickte den Mann an. Er saß genau zwischen Suko und mir, befand sich im Kreuzfeuer, und so etwas Ähnliches wie ein Kreuzverhör sollte es auch werden. Ich hatte vor, direkt eine volle Breitseite auf ihn abzuschießen. Rücksicht durfte ich bei diesem Mann nicht nehmen, er kannte diesen Begriff auch nicht und war bereit, über Leichen zu gehen, was er uns hinlänglich bewiesen hatte. Er hatte uns heimtückisch in den Rücken schießen wollen!
»Ihre Frau ist tot«, sagte ich.
McIntire verzog nicht einmal die Lippen. Er starrte mich nur an und sagte kein Wort.
»Macht Ihnen das gar nichts?« erkundigte sich Suko.
Der Mann hob die Schultern. »Ich lebe!«
»Für wen? Für Orapul?«
»Möglich.«
Die nächste Frage stellte ich. »Ist er tatsächlich Lupinas Sohn, so wie es an der Tür stand?«
Da grinste der Alte schief. »Möglich.«
»Und was hat es mit ihm auf sich?«
»Keine Ahnung.«
»Schlecht lügen können Sie gut«, stellte Suko fest. »Aber nicht gut genug. Ich würde Ihnen in Ihrem eigenen
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