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022 - Ich der Vampir

022 - Ich der Vampir

Titel: 022 - Ich der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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Enttäuschung stieg er nicht aus.
    Verwundert dachte er: Warum drängt es mich plötzlich so zu Menschen? Was will ich von ihnen? Bin ich verrückt, dass ich mitten in der Nacht hier herumlaufe, nur um irgendjemandem zu begegnen?
    Unbewusst wandte er sich den Fußgängerpassagen zu. Dort mochten sich vielleicht Menschen aufhalten. Er lief die stillgelegte Rolltreppe hinab und schlenderte durch die leeren Korridore zwischen den beleuchteten unterirdischen Geschäften, den verschlossenen Restaurants und Warenhauseingängen.
    Durch Zufall wählte er einen Ausgang, der auf eine Verkehrsinsel mündete. Mehrere schläfrige Menschen warteten dort anscheinend auf die letzte Straßenbahn.
    Er gesellte sich zu ihnen. Schweigend. Es war kein gesprächiger Typ dabei. Die Leute weilten offensichtlich bereits mit ihren Gedanken bei den diversen Betten, in die sie nun bald kriechen konnten.
    Vick spürte eine seltsame Erregung in ihrer Nähe. Etwas strömte von ihnen aus, dass ihn stark stimulierte. Er näherte sich einer etwas abseits stehenden Frau, und als er an ihr vorüberschritt, spürte er förmlich, wie sie lebte! Es erfüllte ihn mit Aufregung, und gleichzeitig entsetzte ihn die Art, wie es ihn erregte – nicht auf sexuelle Art; die Frau als solche interessierte ihn nicht. Aber diese Aura von Leben, dieses Pulsieren von Blut in ihrem Körper.
    Er fletschte unwillkürlich die Zähne.
    In diesem Augenblick bemerkte ihn die Frau zum ersten Mal, und sie wich mit einem Aufschrei zurück.
    Vick, der wie in Trance vor ihr stand, erschrak. Er erkannte, dass er im Begriff gewesen war, etwas zu tun, und der Ausdruck der Frau bestätigte es nur zu deutlich.
    Die übrigen Wartenden eilten herbei und starrten ihn drohend an. „Was haben Sie?“ fragte eine dicke Frau. „Hat er Ihnen etwas getan?“
    Sie brachte kein Wort hervor, das Entsetzen versiegelte ihr den Mund.
    Vick sah, dass es wenig Sinn hatte, zu argumentieren. Die Drohung war deutlich genug. Wenn einer anfing handgreiflich zu werden, dann standen die Chancen dafür, dass die anderen mitmischten.
    Er konnte auch gar nichts zu seiner Entschuldigung anführen. Er hatte der Frau zwar nichts getan, aber er ahnte, dass er im Begriff gewesen war, etwas zu tun. Aber was, um alles in der Welt?
    Keine Zeit zum Grübeln! Er begann zu laufen, bevor sie einen Entschluss fassten. Ein paar liefen fünfzig Meter hinter ihm her und blieben dann zurück. Nur ein Ausdauernder wollte sich nicht abschütteln lassen. Erst als in der Ferne die Trambahn auftauchte, drehte auch der Verfolger um.
    Erleichtert hielt Vick inne. Er zitterte – nicht vor Kälte und auch nicht vor Schwäche. Beides spürte er nicht. Aber der Gedanke, was geschehen hätte können, setzte ihm zu. Er war kein sehr mutiger Mann, dennoch waren es nicht seine Verfolger gewesen, die ihn entsetzten, sondern der Gedanke an die kalte
    Gier, die er verspürt hatte, als er auf die Frau zugegangen war.
    Er konnte nur an eine Möglichkeit denken: er musste vorgehabt haben, sie zu töten! O Gott, welch ein Irrsinn! Was ging nur in seinem Schädel vor? Da war etwas, das seinen Verstand ausschaltete. Wie war es sonst möglich, dass er auf offener Straße eine Frau bedrohte?
    Aber niemand gab ihm eine Antwort auf seine verzweifelten Fragen. Sie versiegten nach einer Weile, und alles erschien ihm unwahrscheinlich. Vielleicht war die Frau nur vor seinem angespannten, bleichen Gesicht erschrocken.
    Als sein Entsetzen langsam schwand, kam dieser Hunger wieder.
    Er erkannte, dass er es wohl gewesen sein musste, der ihn getrieben hatte, sich unter Menschen zu drängen und die Frau zu belästigen.
    Aber was hatte er von ihr gewollt?
    Er wusste es nicht, aber er fühlte, dass es etwas Unheimliches und Grauenvolles war. Was ist das nur für eine Krankheit, dachte er verzweifelt, an der ich plötzlich leide?
    Er brauchte einen Arzt. Ein Arzt konnte ihm Klarheit verschaffen. Warum hatte Katalin nichts von einem Arzt erwähnt? War einer dagewesen, ohne dass er das in seinem Fieberwahn mitbekommen hatte? Warum hatte er sie nicht gefragt?
    Aber sie schien Bescheid zu wissen. Sagte sie nicht, dass er sich vor der Sonne in acht nehmen solle? Doch welchen Einfluss sollte die Sonne auf ihn haben? Es war absurd. Außerdem litt er jetzt! Und jetzt war Nacht!
    Der Hunger, den er litt, war so erbärmlich, dass Vick sich mehrmals zusammenkrümmte, während er durch die nächtlichen Straßen lief. Es drängte ihn zu Menschen. Er musste welche finden – egal

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