022 - Ich der Vampir
um welchen Preis. Selbst wenn er in ein Haus eindringen musste.
Gleichzeitig war die Vernunft im Augenblick noch stark genug in ihm, dass er erkannte, dass er den Menschen fernzubleiben hatte. Wenn es ihm nur gelang, sein Hotel zu erreichen und sich einzuschließen, dann war er sicher vor sich selbst. Er rannte, bis seine Lungen schmerzten, und er keuchend nach Atem rang. Aber selbst diese schmerzvoll ungewohnte Belastung seines Körpers ließ ihn keinen Augenblick den nagenden Hunger vergessen.
Vick erreichte den Bahnhof und sah von der gegenüberliegenden Straßenseite ein Pärchen direkt auf sich zukommen. Sein Verstand schrie, dass er laufen sollte, aber seine Beine gehorchten einem anderen Meister.
Er hielt an und wartete. Die beiden kamen eng umschlungen, halb laufend, auf ihn zu, wobei das Mädchen in Sandalen nur mühsam Schritt halten konnte und von ihrem Begleiter mitgerissen wurde.
Vielleicht hätte Vicks Vernunft doch noch gesiegt, aber als sie an ihm vorüber kamen, ohne ihn überhaupt zu bemerken, verlor das Mädchen eine ihrer Sandalen. Sie machte sich von ihrem Begleiter los und humpelte ein paar Schritte zurück, während der Mann ihr nachblickte, und Vick den Rücken zuwandte.
In diesem Augenblick trieb eine innere Macht Vick Danner vorwärts. Der Mann drehte sich halb um, als ahnte er die Gefahr. Vicks Faust traf ihn seitlich am Nacken. Er ging mit einem Aufschrei zu Boden und krümmte sich. Das Mädchen blickte auf. Sie gewahrte Vick. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. Vick erreichte sie, bevor sie schreien konnte. Seine Hand klammerte sich um ihren Mund. Mit dem linken Arm presste er ihren Körper an sich.
Er war wie von Sinnen, als er sie hielt.
Ihr Blut sang in seinen Ohren wie sein eigenes. Er spürte, wie ihr panisch klopfendes Herz es durch die Adern jagte. Seine Hand gab ihren Mund frei. Es war ihm gleich, ob sie schrie. Seine Finger krallten sich in ihr blondes Haar und rissen den Kopf mit einem Ruck zurück. Ihr Hals spannte sich, vibrierte von ihrem Schrei.
Liebkosend glitten seine Zähne über ihr Kinn abwärts und gruben sich tief in den Hals.
Vicks Mund füllte sich mit einer warmen Flüssigkeit, die seinen rasenden Hunger stillte. Es war ein Taumel. Das Blut berauschte ihn und die unbeschreibliche Art, wie es mit den Herzstößen ins Freie schoss, einem Geysir gleich einem Geysir des Lebens!
Es währte nur einen kurzen süßen Augenblick, dann riss ihn etwas zurück. Trunken fuhr er herum. Ein Knurren kam aus seiner Kehle. Er ließ seine Beute los. Der Begleiter des Mädchens war auf die Beine gekommen und hatte sich, noch halb benommen von dem Schlag, auf den Angreifer gestürzt. Vicks Finger zuckten wie Klauen vor, als besäßen sie ein eigenes Leben, und gruben sich in das Gesicht des Mannes, krallten sich in das weiche Fleisch. Der Mann brüllte auf. Er schüttelte sich wild, um loszukommen. Seine Wangen rissen auf, und das reichlich fließende Blut erfüllte Vick mit neuer Gier. Er zog den Schreienden, wimmernden Schädel des Mannes an seine hungrigen Lippen.
Wie aus einem Nebel heraus hörte er Schritte, die rasch näher kamen, und eine rufende Stimme. Er stieß den Mann von sich.
Jemand lief auf ihn zu. Jemand in einer Uniform.
Polizei!
Plötzliche Ernüchterung kam über ihn. Er sah das Mädchen und ihren Begleiter vor sich liegen. Der Mann wand sich stöhnend, die Hände vors Gesicht geschlagen. Das Mädchen regte sich nicht, aber eine dunkle Lache wuchs neben ihrem Kopf.
Er spürte das Blut an seinen Fingern, und den Geschmack davon im Mund. Ekel würgte ihn. Der Polizist kam heran, und seine Augen wurden groß.
Vick wartete nicht. Er schlug zu, sah wie der Polizist zu Boden ging, und rannte. Aber er kam nur ein paar Schritte. Der Uniformierte war hart im Nehmen. Er hatte plötzlich seine Waffe in der Hand und krächzte: „Bleiben Sie stehen, oder ich schieße!“
Vick warf einen Blick zurück und sah, dass der Beamte im Liegen auf ihn zielte. Nur ein Gedanke beseelte ihn: wenn er nun anhielt, war alles aus – ehe er es noch selbst verstand.
Er schlug einen Haken. Gleichzeitig begann der Polizist loszufeuern. Und er begnügte sich nicht mit einem Schuss. Eine Kugel traf ihn in den Oberschenkel. Während er fiel, grub sich eine zweite in seine Schulter und riss ihn mit betäubender Wucht zu Boden.
Einen Moment lang war der Schmerz unerträglich. Als er die Augen wieder öffnete, sah er den Polizisten vorsichtig mit der Waffe im Anschlag näher
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