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022 - Schreie aus dem Sarg

022 - Schreie aus dem Sarg

Titel: 022 - Schreie aus dem Sarg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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reichte ihm einen Block und einen Bleistift. Es war
ein Versuch, der misslang.
    De Freille war nicht fähig, den Bleistift zu halten und zu führen. Er
schaffte es gerade noch, die groben, ungelenken Bewegungen auszuführen. Seine
Hände waren verkrampft und zitterten. Er führte Bewegungen damit aus, die an
die eines Spastikers erinnerten.
    »Mauer? Wand? Fläche?« Simonelle riet. Es war ganz offensichtlich, dass de
Freille ein großes Rechteck in die Luft zu zeichnen versuchte. Dann aber gelang
es ihm, eine Bewegung auszuführen, die eindeutig darauf hinwies, dass er etwas
umzublättern versuchte.
    »Ein Buch?«, reagierte Simonelle sofort.
    »Eine Zeitschrift?«, hakte Professor Gerlingcourt nach. Ablehnung in den
Augen de Freilles.
    »Zeitung«, sagte Simonelle da.
    Ein schwaches Nicken war die Antwort. Erschöpft fiel der Kranke in die
Kissen zurück, als hätte er eine schwere körperliche Arbeit hinter sich
gebracht.
    »Es gibt so viele Zeitungen«, bemerkte Simonelle. »Offenbar aber will er
mich auf eine ganz bestimmte aufmerksam machen.«

Der Kranke gab ihm zu verstehen, sich herunterzubeugen. Simonelle war
vorsichtig. Er musste an die schreckliche Szene denken, die sich seinen Augen
geboten hatte, als er vor zwei Nächten gemeinsam mit seinem Sohn dem Schrei
nachging, der aus der Familiengruft bis zum Haus herübergehallt war. Seine
Gattin hatte sich vertrauensvoll dem Sarg genähert, in dem die scheintote
Charlene gelegen hatte. Und dann musste es passiert sein.
    Er war gespannte Aufmerksamkeit, als er sich herunterbeugte. Er war ganz
auf Abwehr eingestellt. Außerdem wusste er, dass Gerlingcourt in seiner Nähe
weilte.
    De Freille bewegte die Lippen. Simonelle fühlte den heißen, fiebrigen Atem
an seinem rechten Ohr. De Freille versuchte ein Wort zu formen. Aber nur ein
Luftstrom traf den Gehörgang Simonelles. Die Lippen waren so geformt, dass der
Arzt offenbar »OH« oder »HO« sprechen wollte.
    »Ich weiß nicht, was er will.« Simonelle war verzweifelt. Er fühlte
instinktiv, dass die Mitteilung, die de Freille ihm machen wollte, von größter
Wichtigkeit war.
    Es war nicht mehr möglich, Dr. de Freille weiter zu fordern.
    Die Pupillen wurden weit, und sein verkrampfter Körper zuckte noch einmal,
dann entspannte er sich.
    De Freille – war tot ...
    »Wenn irgendetwas sein sollte, bitte informieren Sie mich«, bat Professor
Gerlingcourt. In den Augen des großen Mannes las Simonelle Ratlosigkeit und
Verwirrung. Gerlingcourt hatte sich aufgrund der merkwürdigen Todesart, der de
Freille zum Opfer gefallen war, entschlossen, eine Obduktion der Leiche
vorzunehmen. Die Einwilligung von Seiten der Familie des Toten brauchte er
nicht – de Freille besaß keine Angehörigen. Seine Frau war bereits vor drei
Jahren gestorben, Kinder gab es keine, und de Freille selbst war der letzte
Spross einer alteingesessenen Arztfamilie, die mit ihm ausgestorben war.
    Simonelle war selbst noch so beeindruckt, dass er unfähig war, etwas darauf
zu antworten. Erst als er hinter dem Steuer seines Wagens saß, wurden ihm die
letzten Minuten, die er im Krankenzimmer verbracht hatte, noch einmal richtig
bewusst.
    Er erinnerte sich genau der Gesten und Bewegungen de Freilles, an die
zweimal hintereinander hervorgestoßene Silbe »HO«, der ganz offensichtlich
etwas nachfolgen sollte. »HO« – was kam dann?
    Simonelle stellte sich die Bewegung vor, die de Freille mit seiner Rechten
andeutete. Er hatte die Hand gehoben, zum Fenster gewiesen – weit weg hatte das
heißen sollen. Oder hatte er damit ausdrücken wollen: In meinem Haus, sieh in
meinem Haus nach, dort liegt »HO ...?!«
    HO – eine Zeitung?
    Plötzlich kam ihm die Erkenntnis. Er begriff, warum de Freille ausgerechnet
ihn verlangt hatte. Er hatte ein Ereignis befürchtet oder zumindest
vorausgesehen, war sich dessen aber nicht ganz sicher gewesen. Nur eines schien
ihm von vornherein klargewesen zu sein: Simonelle würde ihn verstehen können.
Es ging um die mysteriöse und scheußliche Angelegenheit, der seine Frau – wie
auch Charlene – zum Opfer gefallen war. Wegen Charlene hatten sie beide ein
Risiko auf sich genommen. Sie wollten die geheimnisvollen Widersacher
überlisten, die offenbar der Sekte Gnamous entstammten.
    Nun sah es aber ganz so aus, als ob das nicht so einfach wäre.
    Die Zeitung »HO -YA« – und plötzlich wusste er es. Die zweite Silbe hatte
de Freille nicht mehr aussprechen und auch nicht mehr andeuten können, weil
sein stark

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