022
Bräutigams zu lenken, doch in Gedanken war Eleanor damit beschäftigt, zu einer Entscheidung zu gelangen, die sie treffen musste. Schließlich drehte sie sich zu Marie hin.
„Kennst du Graf Robert?"
Durch die direkte Frage überrascht, zögerte Marie. „Nur vom Sehen und dem Namen nach", antwortete sie bedächtig. „Wenn er bei Hofe ist, meiden die meisten Damen ihn. Meine Augen sagen mir, dass er ein äußerst gut aussehender Mann ist, aber der Verstand sagt mir, dass er äußerst eitel ist. Er kleidet sich nur in die teuersten Sachen und trägt den kostbarsten Schmuck, und er legt sehr großen Wert auf seine Erscheinung. Anders als bei anderen Männern ist sein Haar stets geschnitten und sein Gesicht immer frisch rasiert. Seine Hände und Nägel sind gepflegt, und er ist immer sauber. Aber ..." nachdenklich furchte Marie die Stirn,
„. . . ich finde ihn harsch und grausam. Es sagt etwas über einen Mann aus, wenn er keine Freunde hat." Sie hob den Blick, und ihre blauen Augen hatten einen ernsten Ausdruck. „Um Vergebung, Demoiselle
Eleanor, ich hätte nicht so freimütig über den Mann reden dürfen, den du heiraten sollst."
„Nein, ich kann ohnehin alles das sehen, was du erwähnt hast. Aber ... du bist lange bei Hofe . . . hat Graf Robert kein Interesse an Damen?"
„Wenn du wissen willst, ob er mit den kühneren der Frauen schläft, dann lautet die Antwort Nein. Die meisten von ihnen würden ihm der Dinge wegen nicht beiliegen, die über ihn gesagt werden."
„Was?" fragte Eleanor frei heraus.
„Das sind nur Gerüchte", antwortete Marie ausweichend.
„Was sind nur Gerüchte?" wollte Eleanor beharrlich wissen. „Ich will hören, was über ihn gesagt wird."
„Vielleicht solltest du Sieur Roger fragen", erwiderte das jüngere Mädchen unbehaglich.
„Nein, er hasst ihn, und Belesme hasst Roger. Ich frage dich."
„Demoiselle Eleanor, ich würde nur boshaftes Gerede wiederholen", protestierte Marie. „Ich kenne ihn nicht."
„Aber du weißt, was über ihn gesagt wird. Was hast du gehört?"
„Wenig." Marie seufzte. „Prinzessin Adela sagt oft genug, der Grund, warum Belesme nicht mit den Damen schäkere, läge in seinen eigenartigen Gelüsten. Sie sagt, er fände Mabille so hinreißend, dass jede andere Frau dem Vergleich mit ihr nicht standhält."
„Ich habe so etwas vor langer Zeit von Prinz Henry gehört, finde das jedoch schwer zu glauben. Mabille ist Roberts Mutter, und sie muss ziemlich alt sein."
„Hast du sie gesehen?"
„Nein. Du vergisst, dass ich Jahre in der Abgeschlossenheit von Fontainebleau zugebracht habe."
„Nun. . ." Marie machte eine ausholende Geste. „In den vergangenen zwei Jahren habe ich seine Mutter einmal gesehen. Mabille de Belesme mag alt genug sein, um ihn auf die Welt gebracht zu haben, aber sie ist immer noch schön. Sie hat das Gesicht und die Figur einer Zwanzigjährigen. Die Männer sagen, sie sei eine Hexe, weil sie nicht zu altern scheint."
„Ich dachte, man nenne sie anderer Dinge wegen eine Hexe."
„Ja, es heißt, sie habe ihren Gemahl ermordet, um ihrem Sohn das Erbe zu sichern.
Nach allem, was man hört, war er ein böser Mensch, aber ich wette, dass er eher durch verdorbenes Essen denn Gift gestorben ist."
„Gott im Himmel!" flüsterte Eleanor. „Und das ist die Familie, der mein Vater mich geben will." Abrupt lenkte sie das Gespräch auf Marie: „Sag mir, Demoiselle, liebst du meinen Bruder?"
Das Mädchen schien durch die direkte Frage erschüttert worden zu sein, Es richtete den Blick auf die Steinfliesen. „Ja", antwortete es schließlich leise. „Ich wäre deinem Bruder zugetan, hätte ich die Wahl."
„Warum?" Eleanor neigte sich näher. „Warum denkst du, dass du ihn liebst?"
Marie errötete, und die Röte, die ihr Gesicht überzog, verstärkte ihre Schönheit.
Nun war es an Eleanor, den Blick abzuwenden. „Ich möchte es wissen."
„Weil Roger so freundlich und gut ist. Weil er lachen und scherzen kann, ohne zu verletzen. Weil er ein so mächtiger Herr ist."
Es sprach für das Mädchen, dass seine Zuneigung eher Rogers Qualitäten denn seinem Äußeren galt. Überrascht fragte Eleanor: „Aber findest du nicht, dass er gut aussieht?"
„Oh, ja. Roger FitzGilbert ist der bestaussehende Mann, den ich je gesehen habe, und die meisten der anderen Damen hier denken ebenso. Ehrlich gesagt, hat man dich so willkommen geheißen, Demoiselle, weil dein Bruder bei Hofe so bewundert wird." Marie lächelte aufrichtig und
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