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großes Opfer, das du bringen willst", wies Roger sie geduldig hin,
„aber das wird nicht geschehen. Wir verlassen Rouen. Wir ziehen nach England.
Denkst du, ich könnte mit dem Wissen leben, dass du Robert de Belesmes Gnade Tag und Nacht ausgeliefert bist?"
„Roger, du selbst hast gesagt, dass ich eines Tages heiraten muss."
„Aber nicht Belesme!"
„Roger, sprich nicht weiter darüber", bat Eleanor ihn verzweifelt. „Mein Vater gibt mich Graf Robert; die Kirche segnet die Verbindung, und der Herzog der Normandie befiehlt sie. Wir können uns nicht dagegen auflehnen. Du hast jetzt Ländereien. Du kannst deine Dame für dich gewinnen und von ihr Erben bekommen. Du kannst eine große Familie gründen, Bruder. Verlier das alles nicht meinetwegen."
Er merkte, dass seine Welt zusammenbrach. Offensichtlich glaubte Eleanor nicht, dass er die Kraft hatte, seine Pläne durchzuführen, und sie erwartete, dass er im letzten Kampf mit Robert de Belesme verlieren würde. Nun, das würde er nicht tun.
Seine ganze Zukunft war mit Eleanor de Nantes verbunden, und er konnte nicht auf sie verzichten. „Wir reden später weiter darüber, Lea", brachte er schließlich heraus.
„Nein. Lass uns die Zeit nutzen, die wir noch haben, und glücklich sein."
„Vielleicht kann Henry dich besser zur Vernunft bringen."
Beim Abendessen fehlte Graf Robert. Mehrere Damen äußerten sich zu Eleanor über seine Abwesenheit, doch weder wusste sie, wo er war, noch bekümmerte sie das.
Sie war dankbar, dass sie einen letzten Abend ohne ihn hatte. Aber Rogers Ärger minderte ihr das Vergnügen, das Belesmes Abwesenheit ihr verschaffte. Roger hatte man keinen Platz auf der Estrade zugewiesen. Er schien ihr überhaupt keine Aufmerksamkeit zu schenken. Marie und ihr Bruder Rannulf saßen ihm gegenüber, und von Zeit zu Zeit konnte Eleanor Maries leises Lachen hören. Es schmerzte sie zutiefst, so von ihm scheiden zu müssen.
Sie stocherte in ihrem Essen herum, bis selbst der Vater Besorgnis bekundete. Er schnitt ihr ein Stück Fleisch ab und schob es ihr zu.
„Bei den Minnemalen Christi, Mädchen! Du wirst morgen in der Kirche ohnmächtig werden, wenn du nicht isst!"
„Ich bin nicht hungrig, Papa."
„Iss trotzdem", riet er Eleanor, „denn du brauchst deine Kraft. Du hast abgenommen, seit du Nantes verlassen hast."
„Falls dem so ist, dann nur, weil Fuld mich hungern ließ."
Gilbert zuckte bei der Anspielung auf ihre Gefangenschaft zusammen und wechselte das Thema: „Wie kommt es, dass Robert nicht mit uns speist?"
„Das weiß ich nicht. Vielleicht trinkt er Blut und jault den Mond an. Wir haben Vollmond."
Unbewusst bekreuzigte sich Gilbert, ehe er erwiderte: „Ich hoffe, Robert hört dich nie so etwas sagen."
„Was würde er tun? Mich zu Tode prügeln?"
„Eleanor, er ist scharf darauf, dich zu bekommen."
„Im Augenblick." Plötzlich war ihr übel. Das Gespräch mit Belesme, der Streit mit Roger, die Menschenmenge in der Halle, alles das trug dazu bei, dass ihr Magen sich verkrampfte. „Bitte, entschuldige mich, Papa." Sie stand halb auf, doch er hielt sie fest und zog sie auf den Sitz zurück.
„Was für ein Unsinn ist das? Du kannst nicht einfach des Herzogs Tafel verlassen."
„Ich beschäme dich mehr, wenn ich bleibe. Mir ist schlecht."
Gilbert wusste, er hätte mit Eleanor gehen oder einen Diener herbeirufen müssen, war jedoch durch ihre Widerspenstigkeit irritiert. „Ich hoffe, dass du den Herzog nicht durch dein Gehen verärgerst", murmelte er.
Sie verließ die Estrade, erreichte den äußeren Korridor und lehnte den Kopf an die kühle Steinmauer. Die Luft in Courteheuses Halle war stickig und schwer gewesen, und die sich mischenden Gerüche des Essens und der Menschen waren Eleanor unerträglich vorgekommen. Sie presste die Hände auf den verkrampften Magen. Ihr wurde klar, dass sie nicht wirklich krank war, sondern nur allein sein musste.
„Demoiselle, bist du in Ordnung?" hörte sie Prinz Henry hinter sich sagen.
„Ja. Da drinnen war es zu heiß."
„Was du brauchst, ist frische Luft. Falls du mir vertraust und wieder mit mir ins Freie gehst."
„Fürchtest du dich nicht davor, dass man dich mit Belesmes Braut reden sieht?"
fragte sie unbedacht.
„Nein, mein Rang schützt mich, Demoiselle." Prinz Henry kam näher. „Du wirkst ungewöhnlich verärgert. Stimmt etwas nicht?"
„Nein. Oh . . . ja. Ich habe mich mit Roger gestritten, Hoheit."
„Das hat er mir erzählt. Weißt du, ich stimme ihm
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