0220 - Zum Dinner wird der Tod serviert
anderen gewöhnt man es sich als G-man schnell an, unter den unmöglichsten Umständen seinen kostbaren Schlaf zu halten. Man kommt selten genug dazu, wenn man ein Special-Agent der Bundespolizei ist. Bei uns stehen Dienststunden immer nur auf dem Papier. Und drittens schließlich überzeugte ich mich, wenn ich schon einmal wach wurde, mit einem verschlafenen Blick aus dem Fenster, daß die Maschine schön ruhig in der Luft lag und also kein Grund für irgendeine Beunruhigung vorhanden sei. Ich hörte im Halbschlaf ein Kind weinen, eine alte Tante schimpfen, ater ich drückte den Kopf nur um so tiefer ins Kissen und dämmerte wieder ein.
Bis mich plötzlich jemand energisch am Ärmel zupfte. Ich zog meinen Arm weg, verlagerte mein Körpergewicht und wollte weiterschlafen. Das Zupfen an meinem Ärmel wiederholte sich and jemand sagte halblaut dabei:
»Mister Cotton! Hallo, Mister Cotton!«
Ärgerlich machte ich die Augen auf. Vor mir stand ein verteufelt hübsches Mädchen. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und fragte mich, was wohl eine Stewardeß an mir so schön finden könnte, daß sie mich deshalb unbedingt aufwecken mußte.
»Ja?« grunzte ich, noch immer benommen vom Schlaf.
»Mister Cotton, würden Sie so freundlich sein, mit mir ins Cockpit zu kommen?«
Ich stutzte. Cockpit war meines Wissens die Führungskanzel des Flugzeuges, und so viel ich auch schon geflogen war, man hatte noch nie einen Passagier aufgefordert, nach vorn in die Führerkanzel zu kommen.
»Was ist denn los?« fragte ich das hübsche Mädchen. Sie hatte brünettes Haar und ein niedliches Stupsnäschen. Ihr Kopf war dicht vor mir, denn sie hatte sich vom Gang her zu mir herabgebeugt.
Einen Augenblick schien sie unsicher zu sein, dann aber erschien wieder das Lächeln in ihrem Gesicht, das eine Stewardeß unter allen Umständen zu zeigen hat.
»Der Funker verlangt nach Ihnen«, sagte sie. »Sieht so aus, als ob für Sie ein Telegramm eingegangen sei.«
Das wäre nun wirklich möglich gewesen. Das FBI hat manchmal eine widerlich aufdringliche Art, seine Leute überall und zu den unmöglichsten Gelegenheiten anzurufen. Also erhob ich mich seufzend und ließ mich von dem niedlichen Mädchen zur Cockpittür führen. Sie drückte die Tür einen Spalt auf und schob mich hindurch. Ich weiß noch, daß ich mich darüber ärgerte, daß sie die Tür festhielt, so daß ich sie nicht weiter aufmachen konnte. Jedenfalls mußte ich mich schräg durch den engen Spalt quetschen, und sie warf die Tür hinter mir so schnell zu, daß sie mir um ein Haar noch die Finger der linken Hand eingequetscht hätte.
»He, he!« sagte ich und zog ängstlich meine Hand weg. »Junge, Junge, was herrschen denn hier für eigenartige Sitten und Gebräuche!«
Ich sah mich neugierig um. Gleich rechts gab es einen Sitz quer zur Längsachse des Flugzeuges. Darauf saß ein Mann mit der Uniform der Fluggesellschaft. Allerdings machte mir - dieser Mann einen reichlich verstörten Eindruck. Er blickte mich an, als ob er mich für ein Fabelwesen oder für Gott weiß was hielt.
»Sie sind Mister Cotton?« fragte er. Seine Stimme klang heiser. Entweder war er erkältet, oder er war mit dem rauhen Organ eines Eingeborenen auf die Welt gekommen.
»Ja«, nickte ich. »Jerry Cotton, G-man vom FBI. Was ist denn los?«
Er überhörte meine Frage. Statt dessen erkundigte er sich:
»Sie haben natürlich einen FBI-Ausweis bei sich?«
»Selbstverständlich«, brummte ich. »Es könnte ja jeder sagen, daß er ein G-man ist. Da haben Sie das Ding.« Ich hielt ihm den Dienstausweis mit meinem Foto hin. Er betrachtete das Dokument in der durchsichtigen Cellophanhülle, gab es mir zurück und wandte sich plötzlich nach vorn. Mit beiden Händen zeigte er auf die beiden Pilotensitze. Von hinten konnte ich gerade noch rechts und links der Sitze die herabhängenden Arme zweier Männer sehen. Außerdem erkannte ich, daß niemand das Dopoelsteuer festhielt. Und das fand ich denn doch ein bißchen seltsam.
»Was ist los?« wiederholte ich. »Wollen Sie mir nicht mal sagen, was ich hier soll?«
»Natürlich, Mister Cotton. Ich brauche wohl nicht zu betonen, daß wir von Ihnen absolute Verschwiegenheit erwarten.«
»Verschwiegenheit? Worüber?«
»Darüber, daß unsere beiden Piloten tot sind.«, Ich bin sicher, daß ich reichlich verdattert in die Gegend blinzelte, als er mir das gesagt hatte. Der Funker schien meinem Gesicht zu entnehmen, daß ich ihm nicht glauben wollte. Er
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