0222 - Letzter Gruß für einen G-man

Hause. Natürlich boten wir ihr an, sie dahin zu bringen, aber sie lehnte ab.
    »Ich habe einen eigenen, wenn auch billigen Wagen und muss deshalb für Unfreundliches Angebot danken«, sagte sie.
    Ihr Abschied war liebenswürdig, aber - wie mir schien - übereilt.
    »Begreifst du das?«, fragte Phil, während auch wir aufstanden und zum Parkplatz hinüberschlenderten.
    »Entweder sie hat die Wahrheit gesagt und weiß wirklich von nichts, oder sie ist eine blendende Schauspielerin. Jedenfalls ist sie irgendwie und irgendwann mit dem Mann zusammengekommen, der die Angewohnheit hat, an seinem Kugelschreiber zu kauen, das heißt, mit demselben Mann, der May ermordete.«
    Gerade als Claire abfuhr, hatten wir meinen Jaguar erreicht. Ich startete und folgte ihr, wobei ich darauf achtete, außer Sichtweite zu bleiben. Zwischen ihrem und unserem Fahrzeug fuhren zwei andere Wagen. Wir waren also gedeckt, und trotzdem verloren wir nicht den Anschluss.
    Wir durchquerten Brooklyn und überquerten den East River auf der Williamsburg Bridge. Es war zwölf Uhr vorüber. Auf der Second Avenue drängten sich die Wagen der Leute, die aus der Spätvorstellung eines Theaters oder einer Revue kamen und nach Hause strebten. Wir mussten sehr aufpassen, um Claires kleinen Zweisitzer nicht aus den Augen zu verlieren.
    An der 42sten Straße bog sie nach Westen ab, und wir machten es ihr nach. Dort, wo am Times Square drei Straßen Zusammentreffen, flammte das Rotlicht auf, bevor wir die Kreuzung geschafft hatten. Claire war gerade noch hinübergehuscht. Natürlich hätte ich mir die Durchfahrt erzwingen können, aber dann wäre sie unbedingt auf uns aufmerksam geworden. Es dauerte endlos, bis die Ampel auf Grün sprang, und soviel ich dann auch suchte, ich konnte den kleinen Wagen mit dem Mädchen nicht mehr finden.
    Natürlich ärgerte ich mich, aber Phil meinte: »Ich habe das Gefühl, als ob sie sehr schnell etwas von sich hören ließe. Ich glaube sogar schneller, als wir beide ahnen.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Das kann ich dir nicht sagen, aber wenn dir so viel daran liegt, kannst du ja morgen ein Inserat in den NEWS oder im HERALD aufgeben. Ungefähr so: Dame im bunten Strandanzug, gestern Abend Brighton Beach, wird von Jerry um Nachricht gebeten. Wenn du willst, kannst du noch hinzufügen: zwecks Freizeitgestaltung.«
    Ich nannte ihn einen Esel, aber mein Freund ließ sich heute die Laune nicht verderben. Ich setzte ihn vor seiner Wohnung ab und wollte ebenfalls nach Hause fahren, aber plötzlich hatte ich gar keine Lust mehr dazu.
    Ich stoppte am Straßenrand und betrachtete den angekauten Kugelschreiber. Es war nun schon der zweite. Dann überlegte ich mir, dass es ja möglicherweise mehrere Menschen geben könnte, die dieser Untugend huldigen. Ich würde am Morgen die beide Schreibstifte ins Laboratorium geben und sie mikroskopisch untersuchen lassen. Dabei würde wohl festzustellen sein, ob es die gleichen Zähne waren, die an den beiden Kugelschreibern geknabbert hatten.
    In einem Nachtklub trank ich noch zwei Highballs und blieb, bis der Laden gegen halb drei Schluss machte. Danach blieb mir nichts anderes übrig, als schlafen zu gehen.
    Am Morgen war ich unausgeschlafen und schlechter Laune. Diese Laune verschlechterte sich noch, als unser Boss, Mr. High, ankündigte, dass um halb elf eine Sitzung mit dem Thema »Die Juwelenräubergang« anberaumt sei.
    Zu dieser Sitzung würden Lieutenant Crosswing, Captain Loin, der High Commissioner der Stadtpolizei und der Senator, der den Vorsitz in dem Komitee zur Bekämpfung des Gangsterunwesens führte, erscheinen. Derartige Sitzungen waren uns allen aus tiefster Seele zuwider.
    Es wird dabei endlos geredet. Vorschläge werden gemacht, die nicht durchführbar sind, Kritik wird geübt, die meistens unberechtigt ist, und wenn man dann zum Schluss auseinandergeht, so sind alle Beteiligten unzufrieden und genauso klug wie vorher. Das einzige Resultat ist dann immer, dass wir eine öder zwei Stunden vertan haben, für die wir bessere Verwendung gehabt hätten.
    Genauso war es auch diesmal. Der Senator hielt einen Vortrag, der weniger für uns als für seine Wähler bestimmt war, wobei er vergaß, dass die Wähler ihn ja nicht hörten. Der High Commissioner hatte eine lange Liste von Maßnahmen mitgebracht, die er teilweise schon ergriffen hatte und teilweise noch anordnen würde.
    Captain Loin und Lieutenant Crosswing antworteten nur, wenn sie gefragt wurden und dann so kurz wie