0222 - Schlucht der stummen Götter
hatte ich zwar vorläufig gerettet, aber ich war noch immer umgeben von potentiellen Feinden, die mich töten wollten.
Mein Blick traf den Steg, der aus dem Bootshaus führte.
Er war leer.
Hoffnung durchzuckte mich. Hatten die anderen aufgegeben, weil sie damit rechneten, daß ich sowieso nicht mehr die Kraft besaß, dem Wasser zu trotzen?
Alles deutete darauf hin.
Bis ich zur anderen Seite schaute und den gewaltigen Schatten sah.
Ein Boot!
Und es kam direkt auf mich zu!
***
Wenn man vor einem normalen Fischerboot steht, sieht es relativ klein aus. Sieht man es jedoch aus meiner Perspektive, da kommt einem das Boot wie ein Ungeheuer vor.
So erging es mir jedenfalls, und ich bekam eine schreckliche Furcht, denn der Schatten wurde noch größer, je mehr sich das Boot meinem Standort näherte.
Der Bug war riesig. Er teilte sich, die Mitte erinnerte mich an ein gewaltiges, stumpfes Messer oder an einen Berg, der mich überrollen würde, wenn ich nicht wegschwamm.
Ich sah auch Suko und das Skelett. Abermals standen sie nebeneinander. Sie hatten die Führungspositionen eingenommen, den Platz am Bug und schauten nach unten auf die Wasserfläche. Ich glaubte auch, schwach das Tuckern eines Motors zu hören.
Konnte ich noch weg?
Abermals zwangen die anderen mich zu einer wahren Verzweiflungstat. Ich warf mich nach rechts, durchpflügte mit einer Hand das Wasser und wollte dem Ufer entgegenschwimmen.
Nicht einmal eine Steinwurfweite war es entfernt. In meiner Lage allerdings zu weit. Wenn mich der Kiel des Bootes nicht erwischte, dann taten es die anderen.
Schon wurde ich von den Bugwellen gepackt, hochgehievt und wieder zurückgedrückt. Das Wasser überrollte mich, ich kam mit dem Kopf über die Oberfläche, und im nächsten Augenblick hatten sie mich. Sie machten es geschickt, sie fischten mich aus dem See wie ein Stück Treibholz.
Jemand hatte eine Leine oder ein Lasso geworfen, dessen Öffnung ich viel zu spät sah und hineinschwamm. Als ich es merkte, war es bereits zu spät, da hatten meine Feinde die Schlinge schon zugezogen, so daß ich unglücklicherweise auch mit beiden Armen festhing und nicht mehr an meinen Dolch herankam.
Eine zweite Schlinge flog vom Boot her im hohen Bogen auf mich zu. Sie senkte sich über meinen Körper.
Diesmal mußte ich alles widerstandslos mit mir geschehen lassen.
Auch als sie die zweite Schlinge zuzogen, so daß ich mir schon wie ein Paket vorkam.
Sie zogen mich mit. Eine weitere, gefährliche Tortur begann, denn das Boot hatte seewärts beigedreht, so daß wir auf das offene Gewässer hinausfuhren und das Ufer hinter uns ließen.
Die wollen dich ertränken!
Wie ein Blitzstrahl zuckte der Gedanke in meinem Gehirn auf, und meine Angst wurde abermals gewaltig. Es war kein Kielholen, wie man es in früheren Zeiten mit Seeleuten gemacht hatte, die sich etwas hatten zuschulden kommen lassen, man zog mich einfach weiter durch das schwarze Wasser, dessen Wellen mich nicht nur einmal überrollten und mich zwangen, immer wieder die Luft anzuhalten.
Wie lange diese Reise dauerte, konnte ich nicht sagen. Ich hatte jegliches Gefühl für die Zeit verloren. Ich sah nur das verdammte Wasser sowie hin und wieder die Bordwand, gegen die ich ein paarmal schlug.
Trotz meiner bescheidenen Lage fragte ich mich, ob es mir jemals gelingen würde, mich zu befreien und wie lange ich die Tortur noch durchhalten konnte.
Wann war der Punkt erreicht, wo nichts mehr ging?
Dann hob mich eine Welle hoch und drehte mich auf den Rücken.
Bevor ich abermals überspült wurde, gelang es mir, einen Blick zum Himmel zu werfen, wo noch immer drohend und grausam das unheimliche Gesicht des Dämons stand.
Nein, er hatte sich nicht zurückgezogen und wollte meine Niederlage bis zum Ende auskosten.
Daß der Schiffsmotor abgestellt worden war, bekam ich überhaupt nicht mit. Ich wurde erst aufmerksam, als die Stricke tiefer in meine Haut schnitten und ich aus den Fluten gehievt wurde, dabei gegen die Bordwand prallte, mir den Hinterkopf stieß, in die Höhe gerissen wurde, bis ich die Reling erreichte.
Da waren plötzlich zahlreiche Hände, die nach mir griffen und sich in meiner nassen Kleidung festhakten.
Ich lag auf der Reling, das Wasser rann über mein Gesicht, der Blick wurde klarer, und ich sah für einen Moment die grünlich schimmernden Köpfe der Dämonendiener über mir.
Auch Suko erkannte ich.
Auf seinen Lippen lag ein Grinsen, wie ich es bei ihm noch nicht erlebt hatte. So grausam,
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